Moutier sieht seine Zukunft definitiv im Kanton Jura. Mit einer Mehrheit von 51,7 Prozent sprachen sich die Einwohner des bernjurassischen Städtchens am Sonntag für den Kantonswechsel aus.
Die Freude bei den Pro-Jurassiern war riesig. Mit Freudenschreien, Hupkonzerten und einem jurassischen Fahnenmeer feierten sie das Abstimmungsergebnis. Auf der Place Roland-Béguelin war zeitweise kein Durchkommen mehr.
Dem Urnengang ging ein monatelanger emotionaler Abstimmungskampf voraus. Entsprechend hoch war die Stimmbeteiligung, sie lag bei 88 Prozent. Das Resultat des vom Bund überwachten Urnengangs wurde um 17.19 Uhr verkündet: 2067 Stimmberechtigte hatten ein Ja zum Kantonswechsel in die Urne gelegt, 1930 lehnten das ab.
Die Berner Regierung reagierte gefasst auf das Ergebnis. Dass Moutier dem Kanton Bern den Rücken zuwende, sei sehr bedauerlich. Zugleich sei nun aber klar, dass die Jurafrage abgeschlossen sei, erklärte Regierungspräsident Bernhard Pulver. Schliesslich habe der Berner Jura als Ganzes schon 2013 entschieden, beim Kanton Bern zu bleiben.
Moutier nutzte nun die damals vereinbarte Möglichkeit und stimmte als einzelne Gemeinde nochmals über die Kantonszugehörigkeit ab. Diese Möglichkeit nehmen noch zwei kleine Gemeinden – Belprahon und Sorvilier – in Anspruch. Sie entscheiden am 17. September.
Die weiteren Schritte
Bis der Kantonswechsel von Moutier – und allfällig weiteren Gemeinden – vollzogen ist, wird es noch etwas dauern. Die Regierungen der beiden Kantone werden ein entsprechendes Prozedere einleiten. Die interkantonale Vereinbarung muss dann vom Stimmvolk beider Kantone verabschiedet werden, bevor die Bundesversammlung grünes Licht gibt.
Die Landesregierung freute sich am Sonntag darüber, dass der Entscheid über Moutiers Kantonszugehörigkeit in einem demokratischen Prozess zustandegekommen sei. «Das ist ein starkes Zeichen für unsere Demokratie und den Zusammenhalt unseres Landes», erklärte Justizministerin Simonetta Sommaruga in einem Communiqué.
Zweitgrösste jurassische Stadt
Im Kanton Jura wird Moutier voraussichtlich ab 2021 die zweitgrösste Stadt sein – nach dem zehn Kilometer entfernten Hauptort Delsberg. Die jurassische Kantonsregierung hatte im Vorfeld der Abstimmung versprochen, Verwaltungsstellen in Moutier anzusiedeln und das dortige Spital zu erhalten.
Am Sonntag wartete die jurassische Regierung in einem Sitzungszimmer in Delsberg gespannt auf das Abstimmungsresultat. Als es am frühen Abend bekannt wurde, liessen die Regierungsmitglieder ihrer Freude freien Lauf. Umgehend fuhren sie gemeinsam nach Moutier, um zusammen mit den Projurassiern zu feiern.
Sehr zufrieden zeigte sich auch die mehrheitlich separatistische Stadtregierung. Laut Stadtpräsident Marcel Winistörfer lässt die Abstimmung «keine Verlierer zurück, sondern eine Minderheit, die es nun davon zu überzeugen, sich der Mehrheit anzuschliessen.»
Dass fast die Hälfte der Stimmberechtigten ein Nein in die Urne legte, zeige eine zweigeteilte Stadt. Diese Situation müsse mit Weisheit und Zurückhaltung bewältigt werden, sagte Winistörfer. Auch wenn viele enttäuscht seien: «Wir müssen nun nach vorne schauen.»
Enttäuschung bei Berntreuen
Konsternation herrschte hingegen im Lager der Berntreuen. Das sei «eine Katastrophe für Moutier», sagte ein Sprecher der Jugendorganisation Sangliers. Gefasst reagierte dagegen der bernjurassische SVP-Nationalrat Manfred Bühler. Der Verlust des Städtchens mit seinen 7700 Einwohnern sei zu verschmerzen, die Region habe nach dem Wegzug von Moutier immer noch 45’000 Enwohner.
Nun gehe es für den Kanton Bern darum, sich gut um den verbliebenen Teil des Berner Juras zu kümmern, betonten mehrere Pro-Berner. Dazu gehöre die Entwicklung des Sonderstatus, der der Region eine gewisse Autonomie gibt.
So sieht es auch die zweisprachige Stadt Biel. Es sei von grosser Bedeutung, dass der Kanton Bern Sorge trage zur französischsprachigen Minderheit.