MSF plädiert für mehr humanitäre Hilfe im Irak

Fast drei Millionen Menschen sind nach UNO-Angaben im Irak auf der Flucht vor den Kämpfen zwischen der IS-Miliz und der Regierungsarmee. Helfer wie Ärzte ohne Grenzen (MSF) befürchten eine Verdoppelung dieser Zahl bis Ende Jahr.

Aus Ramadi vertriebene Menschen leben in einem Zeltlager westlich der irakischen Hauptstadt Bagdad. Die Zahl der Vertriebenen im Irak könnte laut MSF bis Ende Jahr auf sechs Millionen anschwellen. (Bild: sda)

Fast drei Millionen Menschen sind nach UNO-Angaben im Irak auf der Flucht vor den Kämpfen zwischen der IS-Miliz und der Regierungsarmee. Helfer wie Ärzte ohne Grenzen (MSF) befürchten eine Verdoppelung dieser Zahl bis Ende Jahr.

Allein seit der Eroberung von Ramadi, der Hauptstadt der westirakischen Provinz Anbar durch die IS-Miliz im Mai flohen 85’000 Menschen. Die meisten von ihnen befinden sich in Gebieten Zentraliraks, wo bereits zehntausende vertriebene Familien festsitzen.

Denn um in sicherere Regionen etwa in den kurdischen Provinzen im Norden oder nach Bagdad zu gehen, brauchen sie Bürgen, die bezeugen, dass sie nicht der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angehören oder diese unterstützen.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) ist in diesen Regionen mit mobilen medizinischen Einrichtungen unterwegs, sagt Fabio Forgione, MSF-Landeskoordinator für den Irak im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Denn die Frontlinien verschieben sich stetig.

Die MSF-Teams kümmern sich unter anderem um Patienten mit Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck, die aufgrund der Flucht keine Medikamente mehr hatten und ihre Behandlung unterbrechen mussten. Landesweit behandelt MSF rund 500 Patienten am Tag. Die Organisation verfügt über 550 Mitarbeitende im Irak, darunter durchschnittlich 40 internationale Angestellte.

Auch Psychologen zählen zu den Teams. «Viele Menschen sind traumatisiert. Sie haben beispielsweise miterlebt, wie Angehörige getötet oder verletzt wurden», sagt Forgione.

Prekäre Bedingungen

Tausende Vertriebene leben unter prekären Bedingungen in überbelegten Unterkünften wie Zelten, Rohbauten, Hühnerfarmen, Garagen oder Schulen. Nahrung erhalten sie von der lokalen Bevölkerung und auch vom Welternährungsprogramm (WFP).

«Die Solidarität ist im Irak sehr ausgeprägt», sagte Forgione. Sie gehe über die Zugehörigkeit zu einer Bevölkerungsgruppe hinaus. So komme es vor, dass Kurden arabische Familien beherbergten oder Schiiten sunnitische Familien unterstützten.

Aber es fehlt in den Zufluchtsgebieten an Unterkünften und an vielen Orten auch an sanitären Einrichtungen und sauberem Trinkwasser. Die lokale Infrastruktur und Gesundheitseinrichtungen wurden entweder beschädigt oder sind nicht mehr in Betrieb. Oft ist eine Reise zu einem Spital zu gefährlich. Zudem gibt es immer weniger medizinisches Personal.

Vernachlässigte Gebiete

«Trotz der grossen Bedürfnisse haben sich die Hilfsbemühungen bisher vorwiegend auf sichere Gebiete wie die Region Kurdistan beschränkt», sagt Forgione. MSF sei eine der wenigen internationalen Organisationen, die im Nord- und Zentralirak Hilfe leisten, wo die geflohenen Menschen Zuflucht suchten. «Diese Gebiete werden weitgehend vernachlässigt.»

Nach den Worten von Forgione ist es wichtig, dass mehr internationale Hilfsorganisationen auch mit ihrem Personal vor Ort sind, um für die Vertriebenen einen unparteiischen Zugang zu Hilfsgütern und Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Denn der Konflikt spalte die Gesellschaft weiter.

MSF befürchtet zudem, dass sich bis Ende dieses Jahres die Zahl der Vertriebenen im Land auf sechs Millionen verdoppelt. Es wird mehr militärische Einsätze geben, denn die Regierungsarmee versucht, die Gebiete unter Kontrolle der IS-Miliz zurückzuerobern.

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