Vor dem formellen Ablegen seines Amtseids hat sich Ägyptens neuer Präsident Mohammed Mursi demonstrativ an seine Anhängerschaft gewandt. Vor zehntausenden Menschen legte er am Freitagabend auf dem Tahrir-Platz in Kairo einen „symbolischen“ Eid ab.
„Keine Institution steht über dem Willen des Volkes“, sagte er zu der jubelnden Menge. Das Volk sei die Quelle jeder Macht und Legitimität. „Deshalb bin ich zuallererst zu euch gekommen“, sagte er.
Ägyptische Medien sprachen von einem „symbolischen Eid“, den Mursi abgelegt hätte. Im Verlauf seiner Rede unterbrach ihn die Menge immer wieder mit „Allahu akbar“-Rufen (Gott ist gross). „Ich fürchte niemanden ausser Gott“, sagte Musri zu seinen Anhängern.
Der Tahrir-Platz, von dem im vergangenen Jahr die Massenproteste gegen den Langzeitherrscher Husni Mubarak ausgegangen waren, „ist das Symbol für Freiheit, Würde und Wandel“, sagte Mursi.
Mursi versprach zudem, alles in seinen Kräften stehende zu tun für die Freilassung von Omar Abdel Rahman. Dieser sitzt in den USA eine lebenslange Haftstrafe ab. Er wurde verurteilt als Drahtzieher des Bombenanschlags von 1993 auf das World Trade Center. Dabei waren sechs Menschen getötet worden.
Machtkampf
Der Nachfolger von Mubarak, der im Vorjahr gestürzt wurde, ist der erste frei gewählte Präsident Ägyptens. Ausserdem ist der 60-jährige Metallurgie-Ingenieur der erste Zivilist, aber auch der erste Islamist im höchsten Staatsamt.
Seine Macht ist allerdings begrenzt. Der Oberste Militärrat, der das Land seit dem Abgang Mubaraks regiert, hatte vor zwei Wochen das Parlament aufgelöst, durch Verfassungszusätze die Befugnisse des Präsidenten stark eingeschränkt und die meisten Vollmachten an sich gezogen.
Der kalte Machtkampf mit dem Militär, das an seinen Privilegien festhalten, aber auch eine Islamisierung des Landes verhindern will, reflektierte sich auch im Tauziehen um den Ort der Vereidigung Mursis.
Eid vor dem Verfassungsgericht
Die Muslimbruderschaft hatte die Auflösung des Parlaments nicht akzeptiert und verlangte eine Zeremonie in dem vom Militär geschlossenen Parlamentsgebäude.
Die Generäle beharrten hingegen darauf, dass Mursi – wie in ihren Verfassungszusätzen vorgesehen – den Amtseid vor dem Verfassungsgericht ablegt.
Mursi und seine Organisation, aus der er nach der offiziellen Bekanntgabe des Wahlsiegs formell ausgetreten war, gaben schliesslich nach. Der neue Präsident wird sich den Eid von den Verfassungsrichtern abnehmen lassen.
Auf dem Tahrir-Platz vermied er es am Freitag, die Eidesformel zu sprechen oder das Militär mit allzu scharfer Rhetorik herauszufordern. Sein Auftritt sollte deshalb vor allem dazu dienen, den eigenen Anhängern den Eindruck zu vermitteln, dass man nicht eingeknickt sei.