Das Museum der Geschichte der polnischen Juden, das am 19. April in Warschau eröffnet wird, soll mit der vorherrschenden Konzeption ähnlicher Projekte in anderen Ländern brechen.
«Wir ehren die Juden, die hier lebten, indem wir zeigen, wie sie lebten – nicht, wie sie starben», sagte die Programmdirektorin der geplanten Dauerausstellung Barbara Kirshenblatt-Gimblett bei einer Präsentation des Projekts am Donnerstag.
Das Museum wolle den Holocaust deshalb bewusst nicht als den Kulminationspunkt der jüdischen Geschichte in Europa darstellen. Das werde schon durch das Gebäude deutlich, so Kirshenblatt-Gimblett.
Dieses entstand unmittelbar gegenüber dem Denkmal für den Aufstand im Warschauer Ghetto von Nathan Rapaport. Die von Rainer Mahlamäki entworfene Architektur nimmt die vom Denkmal kommende Achse durch einen Bruch in der Form auf, der sich durch das ganze Gebäude mit seinen 12’800 Quadratmetern Nutzfläche zieht.
Mit diesem Verweis auf den Völkermord kontrastiert die übrige Gestaltung: «Das Gebäude ist komplett durch ein gläsernes Äusseres definiert, es ist voller Licht, es ist durchsichtig, es spiegelt das Licht in sich», erklärte die Programmdirektorin.
Dieses Konzept sei gerade in Polen berechtigt: «Hier gab es mehr als tausend Jahre lang ununterbrochen jüdisches Leben, das gilt für kein anderes Land in Europa.» Warschau war vor dem Zweiten Weltkrieg die Stadt mit der – nach New York – zweitgrössten jüdischen Bevölkerung, allein hier lebten 300’000 Juden.
In ganz Polen waren es 3,5 Millionen. Dafür öffne sich das Museum, so die Professorin der New York University: «Wir senden eine grosse Botschaft: Hier ist etwas durch den grossen Bruch, den Holocaust, überschattet worden.» Diese Botschaft richte sich auch an die Juden in der Welt, die Polen heute fast ausschliesslich als tragischen Ort wahrnähmen.
Dauerausstellung wird erst im Dezember eröffnet
Die Dauerausstellung auf 4’330 Quadratmetern, die erst in etwa einem Jahr fertiggestellt und zugänglich sein wird, setzt diesen Gedanken fort. Sie wird in acht Etappen durch die jüdische Geschichte in Polen führen.
Die Ausstellung werde die Besucher nicht unmittelbar intellektuell ansprechen, sondern zunächst eine «Erfahrung schaffen», erklärte die Programmdirektorin. Dafür wird der Besucher durch rekonstruierte Räume geführt, ein typisches jüdisches Shtetl etwa, einen Bahnhof, ein Kaffeehaus und eine ganze Strasse in einem hauptsächlich von Juden bewohnten Warschauer Stadtviertel.
Auf einer Brücke wird man von einem Teil des Warschauer Ghettos während der Besatzungszeit über die «arische Seite» hinweg in einen anderen Teil gehen können.
Besonders hebt Kirshenblatt-Gimblett den Nachbau der – nicht mehr existierenden – prächtigen Holzdecke in der Synagoge von Gwozdziec in der Nähe vom Lemberg hervor. Die Holzdecke wurde nämlich nicht einfach in Auftrag gegeben, sondern von 200 Freiwilligen aus Europa und Nordamerika mit traditionellem Werkzeug innerhalb von sechs Wochen in der ostpolnischen Stadt Sanok hergestellt.