Elia Rediger, Sänger der Basler Band The bianca Story, möchte Regierungspräsident werden. Musiker in Amtsstuben – das kommt vor. Polo Hofer kandidierte 1971 zwar nackt aber erfolglos. Der Kreuzfahrtschiff-Sänger Silvio Berlusconi hingegen schaffte es ganz nach oben. Und auch Susana Baca (Peru), Gilberto Gil (Brasilien) oder Peter Garrett von Midnight Oil (Australien) wurden zu Ministern berufen. Eine Liste.
Er war nicht zu überhören in den letzten Wochen: Elia Rediger, der Bianca-Bariton, setzte sein Gesangsorgan für eine Wahlkampagne ein. Mit Tanz und demokratischem Songwriting (das Resultat kann man sich mittlerweile anhören). Würde er am Sonntag zur Überraschung aller gewählt, hätte Basel einen Sänger im Regierungsrat. Dass das gar nicht so abwegig ist, zeigt der Blick in die Geschichtsbücher. Polo Hofer scheiterte zwar einst in Bern, auch Dave Rowntree von Blur verfehlte den Sprung ins britische Kabinett. Andere Musikstars – in Australien, Griechenland oder Brasilien – schafften es aber politisch an die nationale Spitze.
1. Silvio Berlusconi (1936)
So laut er auf dem Politparkett auch hin und wieder polterte (und es auch im Gästebett krachen liess): Es gab eine Zeit, als Silvio Berlusconi mit seiner Stimme die Leute einseifte: Bevor er als Bau- und Medienunternehmer zu einem der reichsten Männer Italiens wurde, cruiste Berlusconi auf anderen Gewässern: Sein erstes Geld verdiente er sich als Sänger auf Kreuzfahrtschiffen. Manch ein Italiener wünscht sich heute, er hätte damals auch San Remo gewonnen – statt Rom erobert.
2. Nana Mouskouri (1934)
Die griechische Sängerin Nana Mouskouri beteiligte sich an der Opposition gegen die Diktatur in Griechenland. Nach dem Ende der Militärdiktatur trat sie nach über 20 Jahren Exil am 23. und 24. Juli 1984 im Odeon des Herodes Atticus in Athen auf. Aufnahmen dieser Konzerte erschienen später auf Platte. Seit 1993 ist sie Unicef-Sonderbeauftragte, von 1994 bis 1999 folgte ein kurzes Zwischenspiel als Europa-Abgeordnete für die Christdemokraten Griechenlands. Die Kandidatur für eine zweite Amtszeit lehnte sie ab, da sich im Europa-Parlament alles um Machterhalt und Parteipolitik drehe: «Wahrheit und Freiheit kommen zu kurz im Europa-Parlament», sagte sie ernüchtert.
3. Sonny Bono (1935-1998)
Im Duo mit seiner früheren Frau Cher landete er in den 1960er-Jahren eine Reihe grosser Hits und verkaufte Millionen von Schallplatten: «The Beat Goes On» oder «I Got You Babe». In den 1980er-Jahren, Sonny Bono hatte seine grosse Zeit als Musiker und Ehemann längst hinter sich, als er in die Politik einstieg. Warum? Aus Frust über die herrschende Bürokratie: Als er in Palm Springs (Kalifornien) ein Restaurant eröffnen wollte, regte er sich furchtbar über die Hürden auf, die ihm in den Weg gestellt wurden (vielleicht vergleichbar mit der Hinterhofbeschallung in Basel). Auf jeden Fall kandidierte er für die republikanische Partei und wurde prompt zum Bürgermeister von Palm Springs gewählt. 1994 gelang ihm gar der Einzug in den Kongress der USA, wo er bis zu seinem Tod 1998 für die Republikaner sass.
4. Peter Garrett (1953)
Die australische Band Midnight Oil hat in ihrer Blütephase mit politisch konnotierten Songs gepunktet: «Beds Are Burning», auch hierzulande ein Hit, thematisierte 1987 die Rückgabe von Land an die Pintupi, einen australischen Aborigines-Stamm. Am Ende der olympischen Spiele vor zwölf Jahren sang Garrett den Song, verbunden mit der Aufschrift «Sorry». 2004 stieg er für die Labor Partei in die Politik ein, 2007 wurde er zum Minister für Umwelt, Kulturerbe und Kunst ernannt. 2010 machte ihn die neue Premierministerin Julia Gillard zum australischen Minister für schulische Bildung, Kinder und Jugend.
5. Gilberto Gil (1942)
Der brasilianische Grammy-Preisträger gilt als einer der erfolgreichsten Musiker Südamerikas. Von 2003 bis 2008 war er unter Präsident Lula da Silva in seiner Heimat Kulturminister.
6. Susana Baca (1944)
Sie hat zwei Latin Grammys gewonnen und ist eine Schlüsselfigur im Revival der Afroperuanischen Musik: Susana Baca. Im Juli 2011 krönte sie ihre Karriere mit einem politischen Amt: Sie wurde in ihrer Heimat Peru Kulturministerin. Diese Ernennung nimmt auch einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert ein, ist Susana Baca doch erst die zweite Afroperuanische Ministerin in der Geschichte ihrer Heimat.
7. Polo Hofer (1945)
Zum Abschluss noch diese, oft vergessene Anekdote aus der Schweiz: Polo National kandidierte 1971 regional. Bei den Berner Stadtratswahlen, auf Liste 9. «Härdlütli» nannte sich die Hippie-Partei. Legendär ihr Wahlplakat, posierten Polo und seine Parteifreunde (Pier Hänni, Carlo Lischetti und Margrit Probst) darauf doch splitterfasernackt. Eine Provokation, für die Polo auf dem Bärenplatz eine Ohrfeige kassierte (eine alte Dame hatte sich furchtbar enerviert), die aber alles in allem genügend Gehör fand: Margrit Probst erhielt genügend Stimmen und zog in den Stadtrat ein. Einige Forderungen, für die sich auch Polo stark gemacht hatte (etwa die Legalisierung der Strassenmusik) wurden folgedessen politisch umgesetzt. Ob Elia Rediger am Ende bei seiner Kandidatur scheitert, weil er mehr Bart als Haut gezeigt hat?
Die Berner Härdlütli-Partei 1971, mit Polo Hofer (hinten rechts). (Bild: via härdlütli.ch)