Mit einer Schweigeminute und einem Gebet für die Toten des Volksaufstands hat das neue ägyptische Parlament seine erste Sitzung eröffnet. Fast ein Jahr nach dem Sturz von Präsident Husni Mubarak traten die 498 Abgeordneten im Unterhaus erstmals zusammen.
Das Parteienbündnis unter Führung der als gemässigt islamistisch geltenden Muslimbruderschaft und die salafistisch Al-Nur-Partei (Partei des Lichts) hatten bei den ersten freien Wahlen Ägyptens etwa drei Viertel der Sitze des Abgeordnetenhauses gewonnen. Die erste Sitzung wurde am Montag vom ältesten Abgeordneten, Mahmud al-Sakkah von der liberalen Wafd-Partei, geleitet.
Nach der Vereidigung wählten die Abgeordneten mit 399 von 496 abgegebenen Stimmen den Muslimbruder Saad al-Katatni zum Präsidenten des Abgeordnetenhauses. Der 59-Jährige war bislang Generalsekretär der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit.
Diese war von den Muslimbrüdern nach Mubaraks Sturz gegründet worden. Die Muslimbruderschaft war früher verboten. Ihre Anhänger mussten während der Ära Mubarak bei Wahlen als „Unabhängige“ kandidieren.
Eidesformel abgeändert
Bei der Vereidigung der Parlamentarier war es teils zu turbulenten Szenen gekommen. Einige ergänzten die Eidesformel, in der sie schworen, die „Sicherheit der Nation und die Interessen des Volkes“ zu wahren und das Gesetz zu achten, mit eigenen Worten.
So fügte der Salafist Mamduh Ismail hinzu, auch „das Gesetz Gottes zu befolgen“. Trotz mehrmaliger Ermahnung durch den Alterspräsidenten hielt Ismail an seiner Version fest. Mehrere reformorientierte Parlamentarier wiederum gelobten, die „Revolution weiterzuführen“ und „deren Märtyrern treu zu sein“.
Viele Abgeordnete trugen gelbe Schärpen mit der Aufschrift, „Keine Militärgerichtsverfahren für Zivilisten“. Damit protestierten sie dagegen, dass seit der Machtübernahme der Generäle im Februar mindestens 12’000 Zivilisten vor Militärgerichte gestellt wurden.
Neue Verfassung oberstes Ziel
Erste Priorität der Abgeordneten ist die Wahl eines aus 100 Mitgliedern bestehenden Ausschusses, der in die verfassungsgebende Versammlung entsandt wird. Eine weitere Delegation soll die zweite Parlamentskammer, das Oberhaus (Schura), entsenden. Der Schura-Rat hat aber weniger politische Macht als das Unterhaus.
Die Schura-Wahlen beginnen erst Ende Januar. Über die neue Verfassung sollen die Ägypter dann in einer Volksabstimmung entscheiden. Bis Ende Juni sind Präsidentschaftswahlen geplant. Der Militärrat hat zugesagt, danach seine Macht an eine Zivilregierung abzugeben.