Nach dem Lastwagen-Anschlag in Stockholm verdichten sich die Hinweise auf einen islamistischen Hintergrund. Der festgenommene 39-jährige Usbeke, der aus Schweden abgeschoben werden sollte, ist als IS-Sympathisant bekannt.
Der nationale Polizei-Einsatzleiter Jonas Hysing sagte am Sonntag, der Mann habe abgeschoben werden sollen, nachdem sein Antrag auf eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung gescheitert war. Der Mann hatte sich nach Behördenangaben einer Abschiebung entzogen und Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und andere «extreme Organisationen» gezeigt.
Der Täter hatte am Freitag einen gestohlenen Lastwagen in eine Menschenmenge und ein Kaufhaus im Zentrum der schwedischen Hauptstadt gelenkt.
Der Verdächtige aus Usbekistan war am Samstag zum ersten Mal verhört worden. Ob er sich dabei zu seinem Motiv äusserte, wollte die Polizei nicht sagen. Die Ermittler untersuchten ausserdem einen verdächtigen Gegenstand, der auf dem Lastwagen-Fahrersitz gefunden worden war. Medien hatten spekuliert, es könnte sich um eine Bombe handeln. Das bestätigte die Polizei nicht.
Elfjährige unter Todesopfern
Die Polizei äusserte sich am Sonntag erstmals zur Herkunft der Getöteten: Es handle sich um zwei Schweden, einen Briten und einen Belgier, deren Familien inzwischen informiert worden seien. Unter den Todesopfern ist auch ein elfjähriges schwedisches Mädchen, das gerade von der Schule kam.
15 Menschen wurden verletzt. Zehn von ihnen wurden am Sonntag weiterhin im Spital behandelt, vier von ihnen waren in «ernstem Zustand».
Die Behörden zeigten sich am Wochenende zunehmend sicher, dass es sich bei dem festgenommenen Usbeken um den Täter handelt. Ihm seien im Dezember vier Wochen eingeräumt worden, um das Land zu verlassen, sagte Hysing. Anschliessend sei er zur Festnahme ausgeschrieben worden. Die Sicherheitsbehörden hätten ihn nicht als Gefährder eingestuft.
Zweiter Mann verhaftet
Im Zusammenhang mit dem Attentat nahm die Polizei in Stockholm am Samstag und Sonntag sechs weitere Menschen in Gewahrsam, um sie zu befragen. Ein Festgenommener wurde formell als Verdächtiger im Zusammenhang mit dem Anschlag festgesetzt, sagte eine Gerichtssprecherin am Sonntag. Zu dessen Verbindungen zu dem mutmasslichen Attentäter machte sie zunächst keine Angaben.
Die schwedische Polizei sucht derweil weiter nach möglichen Helfern des mutmasslichen Attentäters. «Wir haben viele Kontrollen durchgeführt und Wohnungen in Stockholm durchsucht», sagte Evensson. «Ungefähr fünf» Personen würden festgehalten. Etwa 500 Menschen seien befragt worden.
Über 20’000 an «Liebes-Kundgebung»
In der Nähe des Anschlagsortes in Stockholm versammelten sich am Sonntagnachmittag mehr als 20’000 Menschen zu einer «Liebes-Kundgebung». Um 14.53 Uhr, der Uhrzeit des Anschlags vom Freitag, war es auf dem Platz komplett still. Viele hielten sich an den Händen und weinten. Am Montag soll es eine landesweite Schweigeminute geben.
König Carl Gustaf sagte in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache, Schweden sei seit langem und werde auch in Zukunft ein sicheres und friedliches Land sein. «Es gibt viel mehr Menschen, die uns helfen wollen, als solche, die uns schaden wollen.»
Ministerpräsident Stefan Löfven sprach von einer Wut in der Bevölkerung, die auch er fühle. «Wir müssen diese Wut für etwas Konstruktives benutzen und nach vorne blicken», sagte er am Tatort. Später sagte er auf einem Parteitag in Göteborg: «Wir werden diese Mörder mit der ganzen Macht der schwedischen Demokratie zur Strecke bringen.»
«Vor solchen Vorfällen gewarnt»
Die Vize-Vorsitzende der Schwedendemokraten, Julia Kronlid, zeigte sich wenig überrascht von dem Anschlag. «Wir haben vor solchen Vorfällen gewarnt», sagte sie der Nachrichtenagentur Reuters.
Schweden gehörte lange Zeit zu den Staaten, die sich besonders offen gegenüber Flüchtlingen zeigten. Im Jahr 2015 beantragten 160.000 Menschen – die meisten von ihnen aus Syrien – Asyl in dem Staat mit zehn Millionen Einwohnern. Zuletzt hat die Regierung jedoch die Vorschriften verschärft. Die Schwedendemokraten haben ihrerseits an Beliebtheit gewonnen.
Die Attacke vom Freitag ähnelt einer Reihe von Anschlägen, bei denen IS-Anhänger in den vergangenen Monaten mit Fahrzeugen in Menschenmengen gerast waren. Im Dezember hatte ein Attentäter einen Laster auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin gelenkt und zwölf Menschen getötet. In London kamen im März fünf Menschen vor dem britischen Parlament ums Leben. Beim bislang schwersten LKW-Anschlag in Europa starben in Nizza im Sommer vergangenen Jahres 86 Menschen.