Der mutmassliche Anführer des Anschlags auf das US-Konsulat im libyschen Bengasi ist in einem Bundesgericht der US-Hauptstadt Washington einem Haftrichter vorgeführt worden. Ahmed Abu Chattalah wird des Mordes, Terrorismus und illegalen Waffenbesitzes angeklagt.
Angesichts dieser Vorwürfe droht Chattalah die Todesstrafe. Der Libyer, der am Samstag der Verlesung der Anklage ohne Hand- oder Fussfesseln ruhig folgte, plädierte auf unschuldig.
Ein US-Kommando hatte Chattalah vor zwei Wochen in einer Strandvilla nahe Bengasi ergriffen. Er soll nach Informationen der Ermittler direkt in den Anschlag auf die amerikanische Vertretung verwickelt sein, bei dem am 11. September 2012 der US-Botschafter Christopher Stevens und drei weitere Diplomaten getötet wurden.
«Nun, da Ahmed Abu Chatallah in den USA ist, wird er mit dem ganzen Ausmass unseres Justizsystems konfrontiert», sagte US-Justizminister Eric Holder. «Wir werden alle Zweifel ausräumen und beweisen, welche Rolle der Angeklagte bei den Attacken gespielt hat, die vier mutige Amerikaner in Bengasi getötet haben.»
Interview mit Erdbeer-Shake
Der Gründer und Anführer der libyschen islamistischen Terrorgruppe Ansar al-Scharia hatte in den vergangenen Monaten zahlreiche Interviews gegeben. Während eines Gesprächs mit der «New York Times» in einem Luxushotel hatte er, einen Erdbeer-Shake trinkend, über die Drohungen der Amerikaner gehöhnt. Stets bestritt er seine Beteiligung an dem Attentat.
Nach seiner Ergreifung war er umgehend auf ein US-Kriegsschiff gebracht worden. Vor seiner Rechtsbelehrung im hochgesicherten Washingtoner Gerichtssaal soll Chattalah auf dem Schiff stundenlang von Ermittlern der US-Bundespolizei FBI verhört worden sein. Nach US-Recht ist das im Fall von Terrorverdächtigen erlaubt.
Republikaner vermuten Wahlkampftaktik
Der Vorgang führte nicht nur in Libyen zu Protesten. US-Republikaner kritisierten, dass der Zugriff ausgerechnet zu einem Zeitpunkt erfolgte, an dem über eine mögliche Präsidentschaftskandidatur von Barack Obamas Parteikollegin und ehemaliger Aussenministerin Hillary Clinton spekuliert wird.
Die erste Festnahme im Zusammenhang mit den Bengasi-Attentat ist für den US-Präsidenten ein Erfolg – zumal er und Clinton wegen des damaligen Krisenmanagements schwer in die Kritik geraten waren.
Clinton wird vorgeworfen, die Gefahr seinerzeit nicht rechtzeitig erkannt und nicht genug zum Schutz der Diplomaten getan zu haben. Die Republikaner haben bereits angekündigt, Bengasi zum Wahlkampfthema zu machen, sollte die Ex-Aussenministerin tatsächlich antreten.
Guantánamo keine Option
Obwohl Chattalah ein hochrangiger Terrorverdächtiger ist, lehnte die Obama-Regierung Forderungen der Konservativen ab, ihn im Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba zu inhaftieren. Die Regierung hielt damit an ihrem Wort fest, keinen weiteren Häftling in das zur Schliessung bestimmte Lager zu bringen.
Es war die erste Anklageverlesung gegen einen mutmasslichen Top-Terroristen in Washington. Der Gerichtstermin fand keine zwei Kilometer vom Weissen Haus und Aussenministerium entfernt statt.