Die chinesische Zentralbank hat auf den dramatischen Kurssturz an den Börsen reagiert und ihre Geldpolitik überraschend gelockert. Um die Konjunktur zu beleben und die Aktienmärkte zu stabilisieren, senkte die Notenbank die wichtigsten Leitzinsen.
Die Zinsen für Einlagen und Kredite wurden um jeweils 0,25 Prozentpunkte gesenkt, wie die Institution am Dienstag auf ihrer Webseite mitteilte. Der Zins für Einlagen bei der Zentralbank beträgt nun 1,75 Prozent, der für Kredite 4,60 Prozent.
Gleichzeitig senkte die Notenbank den Mindestreservesatz – das Kapital, das Geschäftsbanken bei der Zentralbank hinterlegen müssen. Damit sollen sie mehr Geld für die Kreditvergabe zur Verfügung haben.
Es ist bereits das fünfte Mal seit November, dass die Zentralbank den Leitzins senkte. Sie will damit der Wirtschaft des Landes unter die Arme greifen, die zuletzt schwächelte. Chinas Wachstumsrate bleibe «unter Druck», erklärte die Notenbank.
Schwaches Wachstum
China hatte 2014 mit 7,4 Prozent das schwächste Wirtschaftswachstum seit 1990 verzeichnet. Für das laufende Jahr geht Peking von einem Plus von etwa sieben Prozent aus. Beobachter fürchten aber, dass der angepeilte Wert nicht erreicht wird.
Um die Konjunktur anzukurbeln, hatte die Zentralbank vor zwei Wochen bereits den Yuan abgewertet. Dies brachte allerdings nicht die gewünschte Wirkung, sondern versetzte die Märkte in Aufruhr.
Denn zum einen fürchteten viele, dass es um die zweitgrösste Volkswirtschaft der Welt schlechter stehe als bislang gedacht. Zum anderen verschlechterte die Abwertung auch den Ausblick für die Weltkonjunktur. Denn China ist für viele europäische und amerikanische Unternehmen, die nun mit wechselkursbedingten Nachteilen rechnen müssen, einer der wichtigsten Absatzmärkte.
Skeptische Experten
Ob die erneute Leitzinssenkung den gewünschten Effekt bringt und die Talfahrt der Börsen aufhalten kann, ist ebenfalls fraglich. Experten zeigten sich skeptisch.«Theoretisch sollte eine Zinssenkung den Aktienmarkt ankurbeln, aber die einfachen Anleger sind jetzt schwer in Panik, deswegen ist ungewiss, ob dieser Schritt die deprimierte Stimmung an den Märkten ändern kann», sagte die unabhängige Finanzexpertin Ye Tan der Deutschen Presse-Agentur.
«China will zeigen, dass es aktiv und handlungsfähig ist», sagte Marktstratege Christian Jasperneite von der Privatbank MM Warburg. «Allerdings ist fragwürdig, ob die Zinssenkung einen wirklichen realwirtschaftlichen Effekt hat.»
Börsen beruhigt
Auf die Aktienmärkte wirkte der Schritt aber beruhigend. «Das ist das, worauf viele schon am vergangenen Wochenende gesetzt hatten», sagte ein Börsianer. Erste Schnäppchenjäger nutzten das niedrigere Preisniveau zum Wiedereinstieg. «Das sind jetzt Aktien zu Sommerschlussverkaufspreisen», sagte ein Händler.
Der Swiss Market Index (SMI) legte bis am Nachmittag um über 4 Prozent zu. Der Leitindex des deutschen Aktienmarktes, der Dax, gewann sogar fast 4,8 Prozent. Die chinesischen Börsen waren bereits geschlossen.
Bis Börsenschluss war der chinesische Leitindex Shanghai-Composite um 7,6 Prozent in die Tiefe gerauscht und hatte damit seine Talfahrt den dritten Tag in Folge fortgesetzt. Bereits am Freitag und Montag hatte es schwere Kursverluste gegeben.
Analysten begründeten die heftigen Kurseinbrüche vor allem damit, dass die Regierung ihre Stützungskäufe auf Eis gelegt habe. Nach Beginn des Börsencrashs Mitte Juni hatten die Behörden zunächst versucht, die Märkte mit milliardenschweren Interventionen zu stabilisieren. Wie am Montag seien auch am Dienstag neue Hilfen zunächst ausgeblieben, bis nach Börsenschluss schliesslich die Zinsen und die Mindestreserven gesenkt wurden.