Zum Beginn des Prozesses um die Todesfahrt eines psychisch kranken Mannes von 2012 in Basel ist am Dienstagmorgen das psychiatrische Gutachten im Fokus gestanden. Die Tat erfolgte in einem psychotischen Schub. Wegen Rückfallgefahr soll der Mann in eine geschlossene Klinik.
Vor Gericht erinnerte sich der heute knapp 29-Jährige nicht, wie jener 13. März 2012 abgelaufen war. Aus einer geschlossenen Abteilung der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) ausgebrochen, hatte er auf der Strasse ein Auto geraubt. Auf der Fahrt in die Innerstadt und zur Mittleren Brücke überfuhr er acht Personen. Eine Frau starb, sieben Personen wurden teils schwer verletzt.
Am Dienstag sass der Angeklagte – von zwei bewaffneten Polizisten ständig begleitet – ohne sichtliche Regungen und mit hängenden Schultern im Gerichtssaal, gleichzeitig apathisch und unruhig. Vom Gerichtspräsidenten mit dem Tatablauf konfrontiert, antwortete er leise und knapp.
«Ich wollte niemanden töten»
Er erinnere sich nicht, es sei alles so schnell gegangen. Er habe niemanden töten wollten, sagte er mehrmals. Laut der Gutachterin, die den Mann beurteilt hat, tut ihm leid, was er angerichtet hat. Selber sagte er dazu beim Prozessbeginn nichts.
Ein paar Wochen vor der Tat hat er nach eigenen Angaben innere Stimmen gehört, immer wieder wenn er alleine war, er solle nach Mazedonien flüchten – geboren und aufgewachsen ist er im Baselbiet, hat aber den mazedonischen Pass. Am fatalen Tag habe er vor den schwersten Kollisionen nichts mehr gesehen, weil die Frontscheibe geborsten gewesen sei. Wann und wie dass passiert war, wusste er nicht.
Für die Gutachterin sind solche Lücken nicht untypisch für Schizophrene: Die für sie belastende Deliktbearbeitung sei sehr schwierig, wegen tatsächlichen Vergessens oder innerer Blockaden. Der Mann spiele die Krankheit jedenfalls nicht vor, sondern habe zuvor länger und in mehreren Kliniken «eindeutige Symptome» einer Psychose gezeigt.
Nach Cannabis-Exzess gekippt
Als Erkrankungsursachen nannte sie exzessiven Cannabiskonsum sowie genetische Veranlagung. Dass ersteres wie auch andere Stressfaktoren eine solche Krankheit ausbrechen lässt, sei sehr häufig. Manche Betroffenen griffen teils wegen starken Ängsten oder Unruhezuständen zu Cannabis, eigentlich zur Beruhigung.
Wegen deutlich erhöhtem Rückfallrisiko sprach sich die Gutachterin für eine stationäre Massnahme in einer geschlossenen Klinik aus, konkret der Zürcher Rheinau für vorerst fünf Jahre. Danach sei sein Zustand neu zu beurteilen – eine Therapie dauere wohl sehr lange. Denkbar sei, dass er bei positiver Entwicklung vielleicht in zehn Jahren in einem gut betreuten Wohnheim leben könnte.
Drei psychiatrische Institutionen bisher hätten Mühe gehabt, die richtigen Medikamente zu finden für seinen komplexen Fall mit teils depressiven, teils euphorischen Schüben. Grundsätzlich sei der Mann indes als umgänglich, liebenswürdig und defensiv beschrieben worden. In der UPK sei die Medikamentierung vor der Tat geändert worden, wobei ein möglicher Zusammenhang offen sei.
Gutachterin: Schuldunfähig
Die Gutachterin geht nicht davon aus, dass der Mann auf seiner Fahrt gezielt Velofahrer habe töten wollen. In ihm habe «primär Angst» geherrscht, und er habe sein Denken und Verhalten nicht nach allgemeinen Rechtsnormen steuern können. Er sei daher strafrechtlich gesehen schuldunfähig. Die gestörte Wahrnehmung mache ihn auch zivilrechtlich urteilsunfähig.
Derzeit sitzt der Mann, dem insbesondere vorsätzliche Tötung sowie mehrfache versuchte vorsätzliche Tötung vorgeworfen werden, im Basler Untersuchungsgefängnis Waaghof. In der Klinik Rheinau wird gemäss seinem Verteidiger frühestens Anfang 2014 ein Platz frei.
Am Dienstagnachmittag folgen die Plädoyers von Verteidiger und Staatsanwalt. Das Gericht will sein Urteil am Donnerstagmorgen verkünden. Hält auch es die Schuldfähigkeit für nicht gegeben, kann es eine Freiheitsstrafe mit Therapie im Gefängnis verhängen oder den Mann in eine geschlossene Klinik einweisen. Falls doch, kommt es noch zu einem normalen Strafprozess.