Nach schweren Stürmen wächst neuer Wald nicht immer genügend nach

Die Orkane «Vivian» von 1990 und «Lothar» von 1999 knickten in der Schweiz Millionen von Bäumen wie Zahnstocher um. 20 respektive 10 Jahre danach ist auf fast allen Flächen wieder Wald gewachsen, aber nicht immer genug.

Archivbild von Schäden durch «Vivian» im Kanton Obwalden (Bild: sda)

Die Orkane «Vivian» von 1990 und «Lothar» von 1999 knickten in der Schweiz Millionen von Bäumen wie Zahnstocher um. 20 respektive 10 Jahre danach ist auf fast allen Flächen wieder Wald gewachsen, aber nicht immer genug.

Für den Schutz vor Lawinen und Steinschlag genügt der nachgewachsene Wald mancherorts nicht mehr. Die beiden Stürme haben jeweils mehr als zwei Millionen Kubikmeter gebrochenes Holz hinterlassen – das entspricht etwa dem Volumen der Cheops-Pyramide.

Die Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), das Bundesamt für Umwelt (BAFU) und weitere Partner haben untersucht, was auf den Sturmflächen seither geschehen ist.

Fast überall ist wieder Wald gewachsen, wie die WSL am Dienstag mitteilte. Auf Lotharflächen im Mittelland, Jura und in den Voralpen wuchs im Mittel auf fast jedem Quadratmeter ein Bäumchen. Dies zeigt eine Erhebung von 90 Sturmflächen. Auf den höher gelegenen Vivianflächen, die vorwiegend in den Alpen liegen, standen die Jungbäume nach zwei Jahrzehnten hingegen nur halb so dicht.

Die jeweils 10 höchsten Bäume waren an beiden Standorten bereits 6,5 respektive 6,3 Meter hoch. In den Bergen waren es eher Nadelbäume, im Tiefland eher Laubbäume. Für künftige Stürme interessant sei die Feststellung, dass mehr junge Bäume nachwuchsen, wenn das Sturmholz geräumt wurde, schrieb die WSL.

Kein Schutz

Eine weitere Untersuchung zeigt auf, dass 20 respektive 10 Jahre nach den Orkanen auf den Flächen zwischen 500 und 6000 Bäumchen pro Hektare wuchsen. «500 junge Bäume bilden nur einen lockeren Wald und reichen nicht aus, um eine darunter liegende Ortschaft vor Naturgefahren zu schützen», warnt WSL-Forscher Peter Brang in der Mitteilung.

Gepflanzte Fichten waren nach 20 Jahren 1,0 bis 2,4 Meter höher als aus Samen gewachsene Bäumchen. Für das Management nach Stürmen bedeutet dies laut Brang, dass in Schutzwäldern eher stark geräumt und neue Bäumchen angepflanzt werden sollten. In Flächen ohne Schutzwirkung genüge eine teilweise Räumung mit höchstens punktueller Pflanzung.

Dies wird von den Resultaten von der damals grössten Sturmfläche Cavorgia bei Disentis GR gestützt: Während das liegende Holz in den ersten Jahren nach dem Sturm gut gegen Lawinen und Steinschlag gewirkt hat, hat es sich nach 20 Jahren auf etwa 40 Prozent der ursprünglichen Höhe gesetzt.

Besser gewappnet

Zudem sei die Dichte junger Bäume erst klein und gebe auch baumfreie Lücken. «Der Schutz vor Naturgefahren ist deshalb eingeschränkt», erklärte Peter Bebi vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos. Auch er empfiehlt, frühzeitig junge Bäume in derartige Lücken zu pflanzen.

Seit den Stürmen hätten Wissenschafter zahlreiche Entscheidungshilfen für die Forstwirtschaft veröffentlicht, wie Sturmflächen insbesondere in Schutzwäldern behandelt werden sollten. «Sie sind heute besser für ähnliche Ereignisse in der Zukunft gewappnet», schrieb die WSL.

Mit den Ergebnissen liege nun eine für Mitteleuropa relevante Abschätzung der Folgen vor, die künftig als Referenz zur Beurteilung der Waldverjüngung nach Windwürfen dienen könnte. Die Resultate wurden in mehreren Artikeln in der Mai-Ausgabe der Schweizerischen Zeitschrift für Forstwesen (SZF) veröffentlicht.

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