Der Schweizer Triathlon-Nationaltrainer Steffen Grosse bezeichnet es als «Wahnsinn», wie Nicola Spirig der Amerikanerin Gwen Jorgensen am Samstag im Kampf um Olympia-Gold alles abverlangt hat.
Steffen Grosse, wie beurteilen Sie die Leistungen von Nicola Spirig (2.) und Jolanda Annen (14.)?
Steffen Grosse. «Das war natürlich genial, von beiden Schweizerinnen. Aber natürlich vor allem von Nicola. Sie ist als Olympiasiegerin hergekommen und hat dem Druck unwahrscheinlich standgehalten. Sie hat Silber gewonnen, nicht Gold verloren.»
Hätte es dennoch ein Rezept für Gold gegeben?
«Nicola war natürlich unglaublich engagiert auf der Radstrecke. Hat versucht, dort wegzukommen und einen hohen Aufwand betrieben. Vielleicht hatte dies dann die zwei, drei Körner gekostet, die im Laufen gefehlt haben. Doch Gwen war die dominierende Athletin der letzten Jahre in der WM-Serie. Und wenn man sieht, wie sehr Spirig ihr Paroli geboten hat, war das phantastisch, ein Wahnsinn.»
Im Laufen gab es zeitweise auch ein taktisches Duell zwischen Spirig und Jorgensen …
«Ja, es wurde teilweise auch abgebremst wie bei Bahnradrennen, bevor es zur Sache geht. Ich hatte gar noch ein bisschen Angst, dass durch das Taktieren der beiden die Verfolgerinnen wieder ran kommen könnten.»
War es überraschend, dass sich Jorgensen davor im Radfahren ganz vorne in der Gruppe unmittelbar hinter Nicola halten konnte?
«Vor allem überraschte mich, dass die erste Gruppe noch so gross zusammen blieb, von den 26 Athletinnen auf doch noch immerhin 18 bis zum zweiten Wechsel. Nicola ist ohne Zweifel die Stärkste auf dem Rad, am Berg oder in der Fläche. Doch sie musste zuviel alleine machen. Sie hätte Helfer benötigt. Alleine konnte sie das nicht schaffen.»
Fehlte eine Daniela Ryf, die sich nach zwei Olympia-Teilnahmen von der Kurzdistanz verabschiedet hat und nun auf Mittel- und Langstrecken dominiert?
«Das ist natürlich hypothetisch. Von der Radstärke her sicher. Doch es ist natürlich auch knallhart, nur schon beim Schwimmen die erste Gruppe zu erreichen. Der Aufwand dazu ist gewaltig.»
Jorgensen hatte bei der Olympia-Generalprobe in Hamburg über die halbe olympische Distanz noch den Schnellzug der ersten Gruppe verpasst. War der dritte Rang nur ein Vorolympia-Bluff von Jorgensen?
«Das denke ich nicht. Gwen verpasste da im Schwimmen die Führungsgruppe. Und sie ist nicht so schnell im Wechsel. Schliesslich konnte sie da den Rückstand auf der kurzen 5-km-Laufstrecke nicht mehr aufholen.»