Ist der Mann unfruchtbar, kann ein Paar in der Schweiz auf eine Samenspende zurückgreifen – allerdings nur, wenn es verheiratet ist. Die Nationale Ethikkommission hält diese Regelung für diskriminierend.
Sie plädiert dafür, dass auch unverheiratete und gleichgeschlechtliche Paare diese Möglichkeit erhalten. Alleinstehende Personen sollen ebenfalls gespendete Samenzellen verwenden dürfen, empfiehlt die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK) in einer rund 60-seitigen Stellungnahme zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung.
Als diskriminierend wertet es die NEK auch, dass die Eizellenspende in der Schweiz derzeit verboten ist, während die Samenspende erlaubt ist. Sie spricht sich deshalb dafür aus, das Verbot von Eizellen- und Embryonenspende aufzuheben.
«Es hat ein Wandel stattgefunden, und dem muss man Rechnung tragen», sagte Judit Pòk, Frauenärztin und bis Ende letzten Jahres NEK-Mitglied, vor den Medien. Die Frage nach Eizellenspende und Leihmutterschaft werde ihr immer häufiger gestellt. «Mit Verboten alleine wird man diesem Wandel nicht gerecht», sagte sie und verwies auf Frauen, die angesichts der Verbote ins Ausland auswichen.
«Keine Embryonen zu verschenken»
«Es gibt in der Schweiz keine Embryonen zu verschenken», stellte Pòk klar. Es gebe aber befruchtete Eizellen, die nicht mehr benötigt würden – von Paaren, deren Kinderwunsch sich bereits erfüllt hat. Statt diese zu vernichten oder der Forschung zur Verfügung zu stellen, könnten diese auch an unfruchtbare Paare gespendet werden, schlägt die NEK vor.
Bezüglich Leihmutterschaft zeigte sich die Ethikkommission gespalten. Nur eine Minderheit möchte die Leihmutterschaft im Gesetz zulassen. Die Mehrheit ist zwar der Ansicht, dass die Leihmutterschaft grundsätzlich zugelassen werden kann.
Gleichzeitig bezweifelt sie aber, das Rahmenbedingungen geschaffen werden könnten, die alle beteiligten Personen genügend schützen, wie NEK-Präsident Otfried Höffe sagte.
Für Gentests an Embryos
Die Nationale Ethikkommission spricht sich in ihrer Stellungnahme auch für den Vorschlag des Bundesrates aus, die Präimplantationsdiagnostik (PID) für erblich vorbelastete Paare zuzulassen.
Dabei werden die Embryos auf die Erbkrankheit getestet und ein Embryo ohne Hang zur Erbkrankheit ausgewählt und in die Gebärmutter eingesetzt. Der Bundesrat hatte die Gesetzesänderung Mitte letzten Jahres vorgeschlagen. Ethisch ist die PID allerdings umstritten, weil Kinder im Prinzip nach bestimmten Merkmalen «erschaffen» werden können.
Alberto Bondolfi, ehemaliges Mitglied der NEK und Leiter der zuständigen Arbeitsgruppe, verwies jedoch darauf, dass die Unterschiede zur Pränataldiagnostik – die zugelassen ist – nicht gross genug seien, um eine unterschiedliche Regelung zu rechtfertigen.
Keine Beschränkung der Anzahl Embryonen
Nicht einig geht die Ethikkommission mit dem Vorschlag des Bundesrates, wonach bei Frauen, die PID nutzen, nur höchstens acht Embryonen pro Behandlungszyklus entwickelt werden dürfen.
«Medizinisch macht das keinen Sinn», sagte Pòk. Bei acht Embryonen könne es sein, dass sich nach der Diagnostik keiner einsetzen lasse. Befürwortet wird von der Ethikkommission hingegen, dass Embryonen künftig aufbewahrt werden dürften.
Im Parlament dürfte die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik eine emotionale Diskussion auslösen. In der Vernehmlassung hatte sich einzig die SVP ohne Abstriche hinter die Vorlage gestellt. Das letzte Wort dazu wird das Volk haben, da die Verfassung geändert werden muss.
Die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin ist eine beratende, unabhängige, ausserparlamentarische Fachkommission. Ihr gehören 15 Mitglieder an, darunter Ärzte, Juristen, Ethiker und Theologen. Der Bericht wurde Ende 2013 erarbeitet, unmittelbar vor dem Ende der Amtszeit von sieben Mitgliedern.