Forschungs- und Bildungsvertreter fürchten um den internationalen Spitzenplatz der Schweiz. Wegen der zähen Verhandlungen um die Ratifizierung des Kroatien-Protokolls sieht der Nationalfonds die Teilnahme am EU-Forschungsprogramm Horizon 2020 zunehmend gefährdet.
«Die Zeit läuft uns davon», sagte Jean-Luc Barras vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) in einem am Samstag in den Zeitungen «Tages-Anzeiger» und «Bund» publizierten Interview.
Für eine Vollassoziierung bei Horizon 2020 verlangt die EU, dass die Schweiz das sogenannte Kroatien-Protokoll bis zum 9. Februar 2017 ratifiziert. Nötig wurde das durch die Masseneinwanderungsinitiative. Mit dem Protokoll wird die Personenfreizügigkeit auf Kroatien ausgedehnt. Derzeit diskutiert das Parlament über eine mögliche Vorbedingung dafür. Laut Barras könnte eine solche Auflage eine rechtzeitige Ratifizierung erschweren.
Zwar sei es mittelfristig denkbar, dass die EU mit sich reden lasse, weil eine Schweizer Beteiligung auch in ihrem Interesse sei, sagt Barras, der beim SNF die Internationale Zusammenarbeit leitet. «Doch vergessen wir nicht, dass die Schweiz auch in Konkurrenz zu anderen Ländern steht.» Die bisher weniger erfolgreichen Länder könnten gegen die Schweiz lobbyieren.
Sollte die Schweiz bei Horizon 2020 als Drittland behandelt werden, würde sie viel verlieren, sagt Barras. Für die Forschungsprojekte gäbe es kein Geld mehr von der EU-Kommission, Schweizer Institutionen könnten sich an wichtigen Finanzierungsinstrumenten nicht mehr beteiligen und die Schweiz würde aus dem Europäischen Forschungsrat ausgeschlossen.
Dieser entscheidet über die Finanzierung der Grundlagenforschung. Und nicht zuletzt drohe ein Auszug von Spitzenleuten aus der Schweiz.
Schweiz könnte überholt werden
Sorgen um den Schweizer Bildungs- und Forschungsplatz macht sich auch der Basler Erziehungsdirektor und Präsident der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, Christoph Eymann. Grund dafür ist der jüngste Beschluss des Nationalrates, die Bildungsausgaben weniger stark als in den vergangenen Jahren zu erhöhen. Die Bildungsausgaben sollen jährlich nur noch um 2 Prozent wachsen dürfen.
«All diejenigen, die jetzt sagen, das Geld reiche, sollen sich doch einmal erkundigen, was in Shanghai und Singapur passiert», sagte Eymann in einem am Samstag publizierten Interview mit der «Basler Zeitung». Trotz ärmeren Volkswirtschaften würden dort sehr viele Mittel in die Bildung investiert. In zehn, zwanzig Jahren würden sie die Schweiz überholen. «Das ist schlecht für unsere Jugend.»
Die Ziele des Bundesrats sind höhere Berufsbildung, wissenschaftlicher Nachwuchs, mehr Ausbildungsplätze in der Humanmedizin und Innovation. Die Mittel dafür seien inzwischen reduziert worden, die Ziele aber dieselben geblieben, hält Eymann fest. Dies müssten nun die Kantone «ausbaden».
Beschlossene Sache sind die Bildungsausgaben aber noch nicht: Die Vorlage geht noch in den Ständerat.