Der Nationalrat befürwortet schärfere flankierende Massnahmen zum freien Personenverkehr mit der EU. Er will die Schraube aber nicht zu stark anziehen und hat eine umfassende Solidarhaftung abgelehnt. Eine solche will er nur im öffentlichen Beschaffungswesen einführen.
Mit 94 zu 86 Stimmen bei 6 Enthaltungen sprach sich der Nationalrat gegen den Vorschlag seiner Wirtschaftskommission (WAK) aus, dass Firmen solidarisch haften müssen, wenn von ihnen engagierte Subunternehmen die hiesigen Arbeitsbedingungen nicht einhalten.
Zwar hatten sich in der Debatte neben den linken Parteien auch die Fraktionssprecher von FDP, CVP und BDP für den Vorschlag stark gemacht. Viele Mitglieder dieser Parteien gaben jedoch den Fraktionsbeschlüssen keine Folge und wiesen den Kommissionsantrag zusammen mit den Mitgliedern der SVP- sowie der GLP-Fraktion zurück.
Auch Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann sprach sich gegen den Kommissionsantrag aus. Aus seiner Sicht müssten Aufwand und Ertrag der Solidarhaftung in einem „vernünftigen Verhältnis stehen“. Deshalb dürfe das Haftungsrisiko nicht uneingeschränkt auf den Erstunternehmer abgewälzt werden.
Er räumte gleichzeitig Handlungsbedarf ein. Er empfehle aber, wie von der Ständeratskommission vorgeschlagen, die Solidarhaftung in einer gesonderten Vorlage zu regeln. Schneider-Ammann versprach, den zuständigen Kommissionen in der Sommerpause die nötigen Entscheidgrundlagen zukommen zu lassen.
Vergebliche Warnung vor kommenden Volksabstimmungen
Unterstützt wurde der Vorschlag zur Solidarhaftung, der auf eine Forderung der Gewerkschaften zurückgeht, von den linken Parteien SP und Grünen sowie von einer Minderheit der Vertreter von CVP, FDP und BDP.
Sie alle warnten davor, dass der freie Personenverkehr mit der EU in der Bevölkerung an Rückhalt verliere, wenn keine strengen Massnahmen getroffen würden. Nur mit strengen Massnahmen könne das Versprechen eingelöst werden, dass in der Schweiz auch mit freiem Personenverkehr Schweizer Löhne bezahlt werden müssten, sagte Corrado Pardini (SP/BE).
Berücksichtigt wurden diese Argumente für eine Änderung des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen. Hier stimmte der Nationalrat mit 100 zu 86 Stimmen bei 1 Enthaltung einem Passus zu, wonach die Anbieter dafür verantwortlich sind, dass die von ihnen engagierten Subunternehmer die Arbeitsschutzbestimmungen, die Arbeitsbedingungen und die Gleichbehandlung von Mann und Frau einhalten.
In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat die Gesetzesänderungen mit 130 gegen 39 Stimmen aus der SVP gut. Das Geschäft wird bereits am Mittwoch vom Ständerat beraten.