Die Kinder unverheirateter Eltern sollen beim Unterhalt die gleichen Rechte haben wie jene verheirateter Eltern. Der Nationalrat hat am Donnerstag Gesetzesänderungen gutgeheissen, die für ledige Väter neue Pflichten bringen.
Der Nationalrat nahm die Vorlage des Bundesrates ohne wesentliche Änderungen an, mit 124 zu 53 Stimmen bei 12 Enthaltungen. Gegen die Neuerungen stellte sich die SVP. Aus ihrer Sicht wird damit die Familie als Institution in Frage gestellt. Sie bemängelte ausserdem, dass die neuen Regeln zu vieles den Gerichten überliessen.
Für Diskussionen sorgte unter anderem die Frage, ob es wirklich gerechtfertigt sei, unverheiratete Väter gleichermassen zur Verantwortung zu ziehen – auch dann, wenn das Kind aus einer flüchtigen Beziehung hervorgegangen sei.
Eine gesellschaftliche Realität
Die Mehrheit war aber der Überzeugung, die Gesetzesrevision sei angesichts der veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse nötig. Aus dem Zivilstand der Eltern dürften den Kindern keine Nachteile erwachsen.
Heute hat fast jedes fünfte Kind unverheiratete Eltern. Ledige Mütter müssen für ihren eigenen Unterhalt selber aufkommen, während geschiedene Mütter Unterhaltszahlungen des Vaters erhalten. Für die Kinder lediger Mütter kann dies beispielsweise bedeuten, dass sie nach der Trennung fremd betreut werden, weil die Mutter Geld verdienen muss.
Entschädigung für Betreuung
Neu sollen beim Unterhalt die Kosten für die Betreuung berücksichtigt werden. Es handelt sich um eine Art Erwerbsausfallentschädigung für jenen Elternteil, welcher das Kind mehrheitlich betreut. Auch der unverheiratete Vater muss die Mutter des Kindes finanziell unterstützen – oder die unverheiratete Mutter den Vater, wenn dieser das Kind betreut.
Der Betreuungsunterhalt kommt zum finanziellen Unterhalt für das Kind hinzu. Teilen sich die Eltern die Erwerbsarbeit und die Betreuung, schuldet kein Elternteil dem andern Betreuungsunterhalt. In diesem Fall fällt die Entschädigung also weg.
Lebensform nicht vorschreiben
Der Nationalrat lehnte einen Vorschlag der SVP ab, wonach im Gesetz verankert werden sollte, dass die Eltern den Kindesunterhalt je zur Hälfte tragen müssen, sofern sie sich nicht auf ein anderes Modell geeinigt haben. Mit 134 zu 54 Stimmen sprach er sich für den Vorschlag des Bundesrates aus.
Demnach soll im Gesetz lediglich verankert werden, dass jeder Elternteil «nach seinen Kräften» für den gebührenden Unterhalt des Kindes sorgt. Der Bundesrat wolle keinem Paar vorschreiben, wie es sich zu organisieren habe, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Der Antrag aus den Reihen der SVP töne zwar sympathisch. Eine hälftige Aufteilung der finanziellen Verpflichtung entspreche aber nicht dem, was heute von vielen gelebt werde.
Kein Mindestunterhalt
Wie viel Väter zahlen und wie lange sie die Mutter unterstützen müssen, wird auf Gesetzesebene nicht geregelt. Wie bisher soll hier die Gerichtspraxis massgebend sein.
SP und Grüne beantragten, einen Mindestunterhalt im Gesetz zu verankern. Damit hätte jedes Kind Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag in der Höhe der maximalen einfachen AHV-Waisenrente. Der Nationalrat lehnte dies aber ab. Die bürgerliche Mehrheit sah darin eine «unverblümte Anspruchshaltung an den Staat», wie es Gabi Huber (FDP/UR) ausdrückte.
Keine Mankoteilung
Abgelehnt hat der Nationalrat auch einen Antrag für eine so genannte Mankoteilung bei Familien in prekären finanziellen Verhältnissen, und zwar mit 102 zu 85 Stimmen bei einer Enthaltung. Heute garantiert das Gesetz dem unterhaltspflichtigen Elternteil das Existenzminimum. Der betreuende Elternteil – meist die Mutter – muss damit das Manko allein tragen. Sie muss sich einschränken und Sozialhilfe beantragen, wenn die Mittel nicht reichen.
Mit der Mankoteilung würde der Fehlbetrag auf beide Eltern aufgeteilt. Der Nationalrat folgte aber dem Bundesrat, der argumentierte, dies wäre nur sinnvoll, wenn die Unterhaltsbeiträge und die Sozialhilfe koordiniert würden. Dafür fehle dem Bund jedoch die Kompetenz, da für die Sozialhilfe die Kantone zuständig seien.
Leistungen einfordern
Künftig soll aber bei jedem Entscheid über den Unterhaltsbeitrag nicht nur der Betrag angegeben werden, den der unterhaltspflichtige Elternteil unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit schuldet, sondern auch der zur Deckung des Kindesunterhalts notwendige Betrag. Dies soll es erleichtern, bei einer erheblichen Verbesserung der Vermögensverhältnisse den Betrag zu ändern.
Die Stellung des Kindes soll auch mit anderen Massnahmen gestärkt werden. So soll der Unterhalt des minderjährigen Kindes Vorrang haben vor den übrigen familienrechtlichen Unterhaltspflichten. Weiter soll sichergestellt werden, dass das Kind die ihm zustehenden Beiträge auch tatsächlich erhält. Der Bundesrat will eine Verordnung erlassen, um eine einheitliche Inkassohilfe für Unterhaltsbeiträge zu gewährleisten.
Die Vorlage geht nun an den Ständerat. Sie bildet den zweiten Teil der Neuregelung elterlicher Verantwortung: Bereits verabschiedet hat das Parlament eine Gesetzesrevision, mit welcher die gemeinsame elterliche Sorge unabhängig vom Zivilstand der Eltern zur Regel wird. Diese tritt am 1. Juli in Kraft.