Nationalrat sagt Ja zu neuen Kompetenzen für Nachrichtendienst

Der Nachrichtendienst soll weitreichende Kompetenzen erhalten. Er soll Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen dürfen. Der Nationalrat hat dem neuen Nachrichtendienstgesetz zugestimmt – gegen den Willen von Grünen, SP und Grünliberalen.

Journalisten filmen Ueli Maurer in der Nachrichtendienstdebatte (Bild: sda)

Der Nachrichtendienst soll weitreichende Kompetenzen erhalten. Er soll Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen dürfen. Der Nationalrat hat dem neuen Nachrichtendienstgesetz zugestimmt – gegen den Willen von Grünen, SP und Grünliberalen.

Die Grünen hatten sich von Beginn weg dezidiert gegen das Gesetz gestellt. Anders die SP: Die Mehrheit der Fraktion hatte sich im Grundsatz dafür ausgesprochen, ihre Zustimmung aber vom Ausgang der Beratungen abhängig gemacht. Weil die SP mit ihren Anträgen durchs Band scheiterte, schlug sie sich nun auf die Seite der Gegner. Auch für die Grünliberalen wurde die rote Linie überschritten.

Ja sagte dagegen die SVP, die neue Kompetenzen für den Nachrichtendienst vor sechs Jahren noch abgelehnt hatte. Die Volkspartei hat ihre Meinung geändert: Nein stimmten nur Pirmin Schwander (SVP/SZ) und Lukas Reimann (SVP/SG).

Der Nationalrat hiess das Gesetz mit 119 zu 65 Stimmen bei 5 Enthaltungen gut. Aus Sicht der Befürworter braucht der Nachrichtendienst mehr Instrumente, um Terrorismus zu bekämpfen. Freiheit sei wichtig, doch gebe es keine Freiheit ohne Sicherheit, lautete der Tenor. Die Gegner warnten vergeblich vor einer «Totalüberwachung».

Unverhältnismässig und nutzlos

Daniel Vischer (Grüne/ZH) wies darauf hin, dass es um die Überwachung von Personen gehe, gegen die kein Tatverdacht auf eine strafbare Handlung vorliege. Das Gesetz verwische die Grenzen zwischen Geheimdienst und Bundesanwaltschaft.

Die Überwachung nütze ausserdem nur, wenn viele überwacht würden. Dann aber wäre sie unverhältnismässig. Würden dagegen – wie laut Bundesrat geplant – nur wenige überwacht, seien es bestimmt die Falschen. Walter Müller (FDP/SG) bezichtigte Vischer der «Demagogie», da er die Bevölkerung glauben mache, es werde ein Überwachungsstaat installiert. Dem sei nicht so.

Beobachten und manipulieren

Die SP und die GLP suchten nach dem Mittelweg. So zeigten sie sich damit einverstanden, dass der Nachrichtendienst in Computer eindringen darf, wollten dem Dienst aber nicht erlauben, dabei zu manipulieren. Die Mehrheit des Nationalrates folgte aber dem Bundesrat und stimmte den neuen Kompetenzen ohne Einschränkungen zu.

Massnahmen wie das Verwanzen von Privaträumen oder das Eindringen in Computer sind genehmigungspflichtig: Zustimmen müssen jeweils ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts und der Verteidigungsminister. Der Rat lehnte es ab, weitere Hürden einzubauen. Geht es um die Manipulation von Computern im Ausland, entscheidet der Bundesrat, doch soll er nach dem Willen des Nationalrates den Entscheid an den Verteidigungsminister oder den Nachrichtendienst-Chef delegieren dürfen.

Schweizer Nachrichtendienst als «Mini-NSA»

Ja sagte der Nationalrat auch zur Kabelaufklärung. Diese würde es dem Nachrichtendienst ermöglichen, grenzüberschreitende Signale aus Internetkabeln zu erfassen. Damit könnte ins Visier des Nachrichtendienstes geraten, wer bestimmte Begriffe googelt oder in E-Mails erwähnt.

Balthasar Glättli (Grüne/ZH) setzte sich für die Streichung der entsprechenden Gesetzesartikel ein. Der Kabelaufklärung zuzustimmen bedeute, «dass unser Nachrichtendienst Mini-NSA spielen darf», sagte Glättli. Der Rat lehnte den Antrag aber mit 119 zu 62 Stimmen bei 3 Enthaltungen ab.

Nicht Schlapphüte, sondern biedere Beamte

Verteidigungsminister Ueli Maurer erklärte, es gehe lediglich darum, mit der Technologie Schritt zu halten. Der Vergleich mit der NSA sei «völlig abwegig», schon nur mit Blick auf den Personalbestand. Der Nachrichtendienst dürfe ausserdem die erfassten Signale nicht verwenden, wenn sich der Sender und der Empfänger in der Schweiz befänden.

Überhaupt müsse er das Bild korrigieren, das man vom Nachrichtendienst zeichne, sagte Maurer. Die Mitarbeitenden des Nachrichtendienstes seien keine Schlapphüte, sondern «ehrenwerte, biedere Bundesbeamte, die ihren Auftrag erfüllen». Und es seien nicht ehrenwerte Bürger, die überwacht werden sollten, sondern Personen, die die Sicherheit der Schweiz gefährdeten.

Zum Schutz des Finanzplatzes

Der Nationalrat folgte Maurer in fast allen Punkten. Er zeigte sich auch damit einverstanden, dass der Bundesrat den Nachrichtendienst in «besonderen Lagen» mit Tätigkeiten beauftragen darf, die über den eigentlichen Staatsschutzauftrag hinausgehen, beispielsweise zum Schutz des Wirtschafts- und Finanzplatzes.

Auf Vorschlag seiner Kommission hat der Rat ausserdem einen Artikel eingebaut, der es dem Bundesrat ermöglicht, extremistische und terroristische Organisationen und Gruppierungen zu verbieten, ohne auf Notrecht zurückzugreifen. Allerdings hiess der Nationalrat hier einen Antrag von Corina Eichenberger (FDP/AG) gut. Demnach muss sich das Verbot auf einen Beschluss der UNO oder der OSZE stützen.

Die Vorlage geht nun an den Ständerat. Die Grünen drohen mit dem Referendum. Die Jungparteien seien bereit, sagte Aline Trede (Grüne/BE). Wenn der Ständerat das Gesetz nicht massiv korrigiere, werde ein Referendum unvermeidlich sein, twitterte Balthasar Glättli (Grüne/ZH). Zufrieden mit den Beratungen zeigte sich dagegen Kommissionssprecher Roland Borer (SVP/SO). Das Gesetz sei eine Antwort auf die neuen Bedrohungen, sagte er am Ende der Debatte.

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