Das Parlament will multinationale Konzerne zu Transparenz verpflichten und so verhindern, dass Gewinne in Tiefsteuerländer verschoben werden. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat einer multilateralen Vereinbarung zugestimmt, gegen den Willen der SVP.
Die grosse Kammer sprach sich am Mittwoch mit 115 zu 65 Stimmen bei 2 Enthaltungen für die Ratifikation der Vereinbarung über den Austausch länderbezogener Berichte (ALBA-Vereinbarung) aus, welche die Transparenz verbessern soll. Das Gesetz zur Umsetzung hiess er ohne Gegenstimmen gut.
Künftig müssen die Unternehmen jedes Jahr in einem Bericht aufzeigen, wo sie wie viel Umsatz gemacht und Steuern gezahlt haben. Diese länderbezogenen Berichte werden mit anderen Staaten automatisch ausgetauscht. Es handelt sich um eine Massnahme des OECD-Aktionsplans BEPS zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und -verlagerung.
Wenig Handlungsspielraum
Im Nationalrat war man sich einig, dass die Schweiz in diesem Dossier nicht viel Handlungsspielraum habe. Es sei zwar zu befürchten, dass sie Steuersubstrat verlieren werde. Die Vereinbarung nicht zu ratifizieren, würde aber nichts nützen. Multis mit Sitz in der Schweiz müssten ihre Berichte in diesem Fall nämlich in anderen Ländern einreichen.
SP und Grüne sehen mit der Vereinbarung ohnehin eine alte Forderung erfüllt. Steuern seien dort zu zahlen, wo Wertschöpfung stattfinde, sagte Louis Schelbert (Grüne/LU). Leider habe die Schweiz lange in die entgegengesetzte Richtung gearbeitet. Die internationale Gemeinschaft akzeptiere das nicht mehr.
Souveränität nicht einschränken
Die SVP stellte sich nicht gegen einen Informationsaustausch, aber gegen die ALBA-Vereinbarung. Diese schränke die rechtliche Souveränität der Schweiz ein, kritisierte Thomas Aeschi (SVP/ZG). Die Schweiz müsste Weiterentwicklungen übernehmen.
Die SVP möchte den Informationsaustausch deshalb lieber im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen aushandeln. Das wäre zwar mit viel mehr Aufwand verbunden. Die SVP ziehe das aber einem Abkommen vor, über welches das Parlament die Hoheit verliere, sagte Aeschi.
Nur Mindeststandard
Finanzminister Ueli Maurer widersprach seinem Parteikollegen: Jede Änderung des Vertrags müsse durch das Parlament genehmigt werden. Er betonte zudem, die Vereinbarung sei im Sinne der Konzerne und die Schweiz setze nur den Mindeststandard um. So würden die Berichte ausschliesslich an die Steuerbehörden gehen und nicht veröffentlicht.
Die EU will die Unternehmen verpflichten, bestimmte Daten zu veröffentlichen. Das könnte jene Schweizer Unternehmen betreffen, die Tochtergesellschaften in der EU haben. Ferner wollen manche Länder von den Unternehmen weitere Berichte einfordern. Die Ratslinke forderte das auch für die Schweiz, doch stellte sich die Mehrheit im Rat dagegen.
100’000 Franken Busse – ob das nützt?
Zu reden gaben vor allem die Strafbestimmungen. Wie schon der Ständerat will auch der Nationalrat auf Bussen verzichten, wenn ein Unternehmen fahrlässig unwahre oder unvollständige Angaben macht. Der Bundesrat sah dafür eine Busse bis zu 100’000 Franken vor.
Bei vorsätzlich unwahren Angabe will der Nationalrat die Busse für die verantwortliche Person auf 100’000 Franken statt 250’000 Franken beschränken. Susanne Leutenegger Oberholzer (SP/BL) warnte vergeblich, damit werde das Gesetz unterlaufen. Es gehe um Konzerne mit hohen Umsätzen.
Für verspätet eingereichte Länderberichte ist eine Sanktion von 200 Franken pro Tag Verspätung vorgesehen. Der Nationalrat möchte nun eine Obergrenze vom 50’000 Franken im Gesetz verankern.
Bei einer Bagatellstraftat, für die eine Busse von höchstens 25’000 Franken in Betracht kommt, soll nach dem Willen des Nationalrats das Unternehmen und nicht die verantwortliche Person zur Bezahlung der Busse verurteilt werden können.
Konzernbegriff eingeschränkt
Weiter hat der Nationalrat den Konzernbegriff eingeschränkt. Finanzminister Ueli Maurer sagte, er habe dieses Anliegen in die Kommission eingebracht, weil die OECD in der Zwischenzeit den Begriff näher definiert habe. Es sei nicht sinnvoll, mehr Konzerne auf dem Radar zu haben als die OECD.
Wie sich die engere Definition auf die Zahl der betroffenen Konzerne auswirkt, konnte Maurer nicht sagen. In der Botschaft war der Bundesrat davon ausgegangen, dass rund 200 in der Schweiz ansässige Konzerne länderbezogene Berichte erstellen müssen. Die Regeln betreffen multinationale Konzerne mit einem jährlichen konsolidierten Umsatz von über 750 Millionen Euro oder rund 900 Millionen Franken.
Die Vorlage geht nun zurück an den Ständerat. Noch offen ist, mit welchen Ländern die Schweiz die Berichte austauscht. Der Bundesrat soll die Länder später einzeln bestimmen können.