Der Nachrichtendienst soll neue Kompetenzen erhalten, dafür aber stärker kontrolliert werden. Nach dem Ständerat hat sich am Montag auch der Nationalrat für eine neue, unabhängige Aufsichtsbehörde ausgesprochen.
In der Formulierung sind sich die Räte noch nicht ganz einig. Fest steht aber die Aufgabe der neuen Aufsichtsbehörde: Diese soll prüfen, ob der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) rechtmässig, zweckmässig und wirksam handelt.
Der Nationalrat hat auch schon die Einzelheiten geregelt. So soll der Bundesrat die Behörde einsetzen und die Leitung wählen. Im Gesetz soll ferner verankert werden, dass die Aufsichtsbehörde Zugang zu allen Informationen und Unterlagen erhält und ihre Tätigkeit mit der parlamentarischen Aufsicht koordiniert.
Weiter haben beide Räte beschlossen, dass die bestehende Kontrollinstanz für die Funkaufklärung künftig auch die sogenannte Kabelaufklärung beaufsichtigt. Nach dem neuen Gesetz wäre es dem Nachrichtendienst nämlich erlaubt, grenzüberschreitende Signale aus Internetkabeln zu erfassen. Damit könnte ins Visier des Nachrichtendienstes geraten, wer bestimmte Begriffe googelt oder in E-Mails erwähnt.
Gesetz ist auf der Zielgeraden
Dass der Nachrichtendienst neue Kompetenzen erhalten soll, hatten die Räte schon früher beschlossen. Künftig soll der NDB auch Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen dürfen. Vor sechs Jahren hatte das Parlament solche Überwachungsmassnahmen noch abgelehnt.
Nun ist das neue Gesetz auf der Zielgeraden. Am Montag hat sich der Nationalrat in mehreren Punkten dem Ständerat angeschlossen. So ist er einverstanden damit, dass nur die Polizei Personen anhalten darf. Dem Nachrichtendienst soll das nicht erlaubt werden. Will der NDB jemanden anhalten, muss er die Polizei einschalten.
Umstritten bleibt vorerst, für welche Massnahmen der Nachrichtendienst eine richterliche Erlaubnis einholen muss. Klar ist, dass Massnahmen wie das Verwanzen von Privaträumen oder das Eindringen in Computer im Inland genehmigungspflichtig wären.
«Angriffskriege» im Internet
Zustimmen müssten jeweils der Präsident der zuständigen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts und der Verteidigungsminister. Nach dem Willen des Ständerates soll auch dann ein Richter zustimmen müssen, wenn der Nachrichtendienst in Computer im Ausland eindringt. Das hat der Nationalrat jedoch abgelehnt.
Aus Sicht der grossen Kammer wäre das Eindringen in Computer im Ausland faktisch gar nicht möglich, wenn ein Gericht seine Zustimmung geben müsste. Ein Gericht könnte einer solchen Massnahme auf fremdem Territorium nämlich niemals zustimmen. Das hatte auch Verteidigungsminister Ueli Maurer zu bedenken gegeben.
Für Nationalrat Balthasar Glättli wird eine «dicken roten Linie» überschritten, sollten dem Nachrichtendienst «Angriffskriege» im Internet erlaubt werden.
Eine links-grüne Minderheit zog daraus den Schluss, dass das Eindringen in Computer im Ausland gar nicht zugelassen werden dürfe. Balthasar Glättli (Grüne/ZH) sprach von einer «dicken roten Linie», die überschritten werde, wenn dem Nachrichtendienst «Angriffskriege» im Internet erlaubt würden. Der Rat lehnte den Streichungsantrag aber mit 128 zu 59 Stimmen ab.
Der Nationalrat bleibt auch dabei, dass der Bundesrat den Entscheid über das Eindringen in Computer an den Verteidigungsminister oder den Chef des Nachrichtendienstes delegieren kann. Der Ständerat möchte, dass in jedem Fall der Bundesrat entscheidet.
Bei seiner früheren Version geblieben ist der Nationalrat ferner bei den Bestimmungen zum Öffentlichkeitsgesetz. Anders als der Ständerat will er nicht das gesamte Nachrichtendienstgesetz, sondern nur die Informationsbeschaffung vom Öffentlichkeitsprinzip ausnehmen.
Gegner wollen Referendum ergreifen
Das Gesetz könnte dennoch in der Herbstsession unter Dach und Fach kommen. Es geht nun zurück an den Ständerat. Das letzte Wort dazu dürfte das Volk haben, die Gegnerinnen und Gegner des Gesetzes wollen das Referendum ergreifen.
Im Nationalrat betonten viele Redner, das Gesetz sei wichtig für die Sicherheit, und es sei im Laufe der Beratungen verbessert worden. Die Gegner sehen zwar Verbesserungen, etwa bei der Aufsicht. Das ändere aber nichts daran, dass das Gesetz einen «Lauschangriff» mit Staatstrojanern ohne strafrechtlichen Tatverdacht ermögliche, sagte Daniel Vischer (Grüne/ZH). Er sprach von einem «abverheiten Gesetz».