Der Stellungskampf um die Reform der Altersvorsorge geht weiter. Erwartungsgemäss hat der Nationalrat am Dienstag auf seinen Positionen beharrt. Den vom Ständerat beschlossenen AHV-Zuschlag von 70 Franken lehnte er mit 103 zu 92 Stimmen ab.
Es handelt sich um den wichtigsten Streitpunkt zwischen den Räten. Der Zuschlag sowie höhere Ehepaar-Renten sollen die Versicherten für die Renteneinbussen entschädigen, die sie wegen der Senkung des Umwandlungssatzes in der beruflichen Vorsorge erleiden.
Die Linke spricht von «Rentenklau» und droht mit dem Referendum. Weil sie damit gute Chancen hat, wird sie von der CVP und der BDP unterstützt. «Mit den 70 Franken hat die Vorlage eine kleine Chance, ohne hat sie keine Chance», erklärte BDP-Nationalrat Lorenz Hess (BE).
Widerstand gegen «Giesskanne»
SVP, FDP und GLP, die in der grossen Kammer die Mehrheit haben, lehnen den jedoch Zuschlag ab. Isabelle Moret (FDP/VD) sprach von einer «Giesskanne»: Vom AHV-Zuschlag würden auch Millionäre profitieren.
Stattdessen hat der Nationalrat ein Konzept beschlossen, das zu höheren Altersguthaben und damit – trotz dem tieferen Umwandlungssatz – zu gleich hohen Pensionskassenrenten führt: Der Koordinationsabzug soll abgeschafft und die Beiträge gesenkt werden. Die Ausfälle von Arbeitnehmenden über 45 Jahren würden ausgeglichen. Personen mit tiefem Einkommen und langer Beitragsdauer könnten ohne Einbussen vorzeitig in Rente gehen.
Auf Kritik stiess vor allem die Abschaffung des Koordinationsabzugs Weil damit auf dem ganzen Lohn Beiträge bezahlt werden müssten, haben Personen mit tiefen Einkommen plötzlich spürbar weniger Geld in der Tasche. «Es gäbe noch mehr Working Poor», warnte Grünen-Sprecherin Christine Häsler.
Automatische Rentenalter-Erhöhung
Doch der Ausgleich der Renteneinbussen ist nicht die letzte verbleibende Differenz. Ebenfalls festgehalten hat der Nationalrat an der so genannten Stabilisierungsregel: Sobald der AHV-Fonds unter 80 Prozent einer Jahresausgabe sinkt, wird das Rentenalter automatisch auf bis zu 67 Jahre angehoben. Parallel dazu wird die Mehrwertsteuer um bis zu 0,4 Prozentpunkte erhöht.
Unabhängig von der Stabilisierungsregel will der Nationalrat die Mehrwertsteuer um 0,6 statt wie vom Ständerat beschlossen um 1 Prozent erhöhen. Damit würde der AHV rund 1,4 Milliarde Franken entgehen.
Streitpunkt Witwenrenten
Schliesslich hat die grosse Kammer beschlossen, die Witwenrenten anzupassen und Kinderrenten zu streichen. Der Ständerat lehnt das ab, um die Vorlage nicht unnötig in Gefahr zu bringen.
Über die zentralen Elementen der Reform haben sich die Räte bereits geeinigt: Es handelt sich um die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre, die Senkung des Umwandlungssatzes von 6,8 auf 6 Prozent und die Flexibilisierung des Altersrücktritts.
Die Vorlage geht nun noch einmal an den Ständerat. Er ist nächste Woche am Zug. Eine weitere Beratung im Nationalrat ist in der dritten Sessionswoche vorgesehen.