Auch der Nationalrat steht nun hinter der Armeereform. Mit nur 7 Gegenstimmen genehmigte er am Mittwoch die Vorlage, die er letzten Sommer noch abgelehnt hatte. Dabei beschloss er, die Armee ganz von den Sparanstrengungen der nächsten Jahre auszunehmen.
Eigentlich hätte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf die Vorlage vertreten müssen. Der militärische Teil, etwa Bereitschaft, Ausbildung oder Leistungen der Armee, war in der zweiten Runde nämlich nämlich weitgehend unbestritten.
Dafür gab die Finanzierung zu reden. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, der Armee mit einem vierjährigen Zahlungsrahmen mehr Planungssicherheit zu geben. Die Höhe der finanziellen Ausstattung liess er jedoch offen. Es war diese Unverbindlichkeit, die die Vorlage in der letzten Sommersession zum Absturz brachte.
Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SiK) legte daher einen Bundesbeschluss vor, mit dem der Armee in den Jahren 2017-2020 insgesamt 20 Milliarden Franken zugesprochen werden. Das sind jene 5 Milliarden Franken pro Jahr, für die sich das Parlament in den letzten Jahren mehrmals ausgesprochen hat.
Spardruck ignoriert
Der Bundesrat hält das im Moment allerdings nicht für finanzierbar. Im Rahmen des nächsten Sparpakets hat er ein Verteidigungsbudget von rund 18,8 Milliarden Franken vorgeschlagen. Im Grundsatz seien 5 Milliarden Franken pro Jahr unbestritten, sagte Bundesrat Ueli Maurer. Der Betrag könne aber nicht schon ab 2017 ausgegeben werden, sondern erst ab 2019.
Nach Ansicht des Nationalrats braucht es für die Umsetzung der Armeereform aber sofort 20 Milliarden Franken. Es handle sich bereits um einen Kompromiss, die Armee habe ihren Sparbeitrag schon geleistet, sagte Kommissionssprecher Thomas Hurter (SVP/SH).
Die Mehrheit hörte den Appell und stimmte dem von der Kommission vorgelegten Bundesbeschluss mit 121 zu 71 Stimmen zu. Ob das Parlament den Entscheid beim Stabilisierungsprogramm und dann in den jeweiligen Jahresbudgets bestätigt, wird sich zeigen. «Die Verteilkämpfe werden noch kommen», sagte Hurter.
Erfolglos waren Minderheitsanträge für höhere oder tiefere Beträge. Links-Grün wollte nur einen Zahlungsrahmen von 17,6 Milliarden Franken bewilligen, die GLP beantragte 18,8 Milliarden und die SVP 21,6 Milliarden Franken. Lorenz Hess (BDP/BE) sprach von «Schlaumeiereien», da diese Beträge nicht den inhaltlichen Beschlüssen entsprächen.
Weitgehende Einigung
Diese hatte der Rat zuvor gefällt. Dabei wurde auch noch einmal über die Grösse der Armee gestritten. SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz (BE) rief den Nationalrat auf, den Sollbestand angesichts von Kriegen und Terror bei 120’000 Mann festzulegen. Die Armee müsse personell so ausgestattet werden, dass sie die Bevölkerung schützen könne, sagte Erich von Siebenthal (SVP/BE).
120’000 Armeeangehörige könnten gar nicht ausgerüstet werden, gab Maurer zu bedenken. SP, Grüne und Grünliberale beantragten eine Reduktion auf 80’000 Mann. Die Mehrheit beschloss aber einen Sollbestand von 100’000 und einen Effektivbestand von 140’000. Laut Hurter handelt es sich um den «kleinsten oder grössten gemeinsamen Nenner, je nach politischer Couleur».
Die Armee soll rascher mobilisiert werden können, 35’000 Mann sollen innerhalb von 10 Tagen eingesetzt werden können. Die Truppe soll voll ausgerüstet, die Kaderausbildung verbessert und die Armee besser in den Regionen verankert werden. Zudem werden Flugplätze, Waffenplätze und Kampfbauten geschlossen.
Die Rekrutenschule wird auf 18 Wochen verkürzt, danach folgen nach dem Willen des Ständerats fünf Wiederholungskurse zu drei Wochen. Der Nationalrat hingegen beschloss mit 134 zu 59 Stimmen, sechs WK durchzuführen. Die Mehrheit war der Meinung, dass dies das Minimum sei für eine gute Ausbildung. Die Anzahl der Diensttage würde damit immer noch von 265 auf rund 245 reduziert.
Die Ombudsstelle, die das Parlament ursprünglich selber bestellt hatte, wurde aus der Vorlage gestrichen. Ansprechpartner seien die direkten Vorgesetzten, sagte Maurer. In der Milizarmee funktioniere das. Eine Einigung gab es auch bei der Ausserdienststellung von Panzern, Artillerie oder Kampfjets: Dieser Schritt muss künftig vom Parlament abgesegnet werden.
Gerangel der Generäle
Zu reden gab die Gliederung der Armee. Umstritten war insbesondere der Entscheid des Ständerats, Heer und Luftwaffe nicht dem Chef der Armee direkt zu unterstellt, sondern unter einem Kommando Operationen zusammenzufassen. SVP und ein Teil der FDP versuchten vergeblich, das wieder zu ändern: Heer und Luftwaffe seien die strategische Sicherheitsreserve der Schweiz und müssten rasch zur Verfügung stehen, sagte Walter Müller (FDP/SG). Ihr Einsatz dürfe nicht durch eine zusätzliche Führungsebene verzögert werden.
Die Vorlage geht nun mit wenigen Differenzen zurück an den Ständerat. Die Ablehnung durch den Nationalrat hat die Reform bereits um ein Jahr verzögert. Diese kann nicht vor 2017 in Kraft gesetzt werden, die Umsetzung ist ab 2018 vorgesehen. Ursprünglich war geplant, ein Jahr früher damit zu beginnen.
Obwohl der Zahlungsrahmen im Bundesbeschluss nicht dem Referendum untersteht, ist die Drohung nicht vom Tisch. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) hält den Armeebestand immer noch für zu hoch und behält sich darum vor, Unterschriften gegen die Reform als Ganze zu sammeln.