Asylsuchende sollen künftig nur noch Nothilfe statt Sozialhilfe erhalten. Der Nationalrat hat sich am Mittwochabend für diese Verschärfung des Asylgesetzes ausgesprochen. Darüber befinden muss noch der Ständerat.
Heute erhalten alle Asylsuchenden während des Verfahrens Sozialhilfe, und zwar rund 20 bis 30 Prozent tiefere Beträge als andere Sozialhilfebezüger. Von der Sozialhilfe ausgeschlossen werden können bloss abgewiesene Asylsuchende.
Nach dem Willen des Nationalrates sollen künftig alle Asylsuchenden nur noch Nothilfe erhalten, wobei den Bedürfnissen von besonders verletzlichen Personen angemessen Rechnung getragen würde.
Bundesrat und Ständerat hatten das geltende Recht in diesem Punkt nicht ändern wollen. Der Nationalrat stimmte nun aber der Massnahme mit 109 zu 76 Stimmen bei 5 Enthaltungen zu.
Sozialhilfe «zu attraktiv»
Die Mehrheit im Rat war der Auffassung, Nothilfe sei nicht unmenschlich. Asylsuchende erhielten ein Dach über dem Kopf und Nahrung, sagten die Vertreter der bürgerlichen Parteien, das genüge. Nur ein strengeres Regime sei abschreckend für Wirtschaftsflüchtlinge.
«Flüchtlinge suchen bei uns Schutz und nicht Geld», stellte Ruth Humbel (CVP/AG) fest. «Die Schweizer Sozialhilfe ist heute in vielen Fällen zu attraktiv, auch für Schweizer», befand Martin Bäumle (GLP/ZH).
Der reichen Schweiz unwürdig
Aus Sicht der Gegner ist die Verschärfung weder notwendig noch sinnvoll. «Ja, wir sind Volksvertreterinnen und müssen darauf hören, was die Bevölkerung sagt», räumte Silvia Schenker (SP/BS) ein. «Aber wir müssen auch versuchen, nüchtern und sachlich zu bleiben.»
Die Betroffenen wären nachts in einer Notschlafstelle untergebracht und müssten den Tag auf der Strasse verbringen, gab die SP-Nationalrätin zu bedenken. Mit 8 bis 12 Franken müssten sie alle Bedürfnisse erfüllen. «Es ist einem reichen Land wie der Schweiz unwürdig, wenn Asylsuchende behandelt werden, als ob sie illegal hier wären.»
Unverstänlich war für Schenker, die Tochter eines CVP-Politikers, insbesondere die Haltung der CVP: «Mein Vater würde sich im Grab umdrehen. Er war ein engagierter CVP-Politiker, der sich von seinen christlichen Werten leiten liess.» Sie fragte in die Runde: «Können Sie sich noch in den Spiegel schauen?»
Für die regionalen CVP-Nationalräte Markus Lehmann (BS) und Elisabeth Schneider Schneiter (BL) stehen die Verschärfungen in keinem Konflikt zu den Werten der Partei. Lehman sagt etwa zur Verschärfung bem Familiennachzug – die CVP wollte erst mittragen, dass die Familien von anerkannten Flüchtlingen nicht mehr ohne Verfahren nachkommen dürfen: «Es gibt keinen Konflikt zwischen dem Entscheid und dem Anspruch der CVP, sich für die Familien einzusetzen. Der Entscheid ist auch nicht tragisch. Es geht darum, den Missbrauch zu unterbinden. In der Stadt sehe ich ja Tag für Tag, dass sowohl Linke als auch Rechte die Nase gestrichen voll haben von den Missständen im Asylwesen.»
Schneider-Schneiter hingegen ging diese Verschärfung zuweit: «Das verträgt sich nicht mit dem Anspruch, eine Partei der Familien zu sein.» Alle weiteren Änderungen trug sie mit: «Ich bin für die Verschärfung auf der ganzen Linie.»
Justizministerin Simonetta Sommaruga stellte sich entschieden gegen den Wechsel von der Sozial- zur Nothilfe. «Das verstösst gegen die humanitäre Tradition, deren sich unser Land dermassen gerne rühmt.» Sommaruga warnte auch vor unerwünschten Folgen. Die Massnahme würde die Verfahren verlängern statt verkürzen.