Der Nationalrat verlangt vom Bundesrat einen umfassenden Service-public-Bericht ohne Tabus. Bei der Erarbeitung des für Mitte 2016 in Aussicht gestellten Berichts soll die Regierung kritischen Fragen nicht aus dem Weg gehen. Eine entsprechende Motion wurde angenommen.
Die grosse Kammer erhält den Druck auf die SRG aufrecht. Während der gut einstündigen Sonderdebatte zum medialen Service public am Mittwochmorgen waren viele kritische Voten zu hören. Vor allem auf der Seite der SVP, welche die ausserordentliche Session verlangt hatte.
Zwar wurden keine wesentlichen Entscheide getroffen, die Diskussion gab aber einen Vorgeschmack auf das, was im nächsten Jahr nach der Präsentation des Service-public-Berichts des Bundesrats los sein dürfte.
Muskeln zeigte die grosse Kammer bei der Abstimmung einer Motion von SVP-Nationalrätin Natalie Rickli. Diese will den Bundesrat beauftragen, alle hängigen medienpolitischen Vorstösse im Bericht aufzunehmen, welche bis zum Ende der Herbstsession 2015 eingereicht worden sind. Mit 92 zu 75 Stimmen bei 8 Enthaltungen hiess der Nationalrat den Vorstoss gut.
Unterstützt wurde das Anliegen von der SVP, der FDP und der GLP. Die Motion geht nun an den Ständerat, der am (morgigen) Donnerstag eine Sonderdebatte zum selben Thema führen wird.
Was Parlamentarier verlangen
Die Mehrheit der grossen Kammer will, dass der Bundesrat im Bericht vier Budgetvarianten für einen künftigen Service public aufzeigen soll – vom Status quo der Gebührengeldereinnahmen in Höhe von 1,352 Milliarden Franken (Stand 2013) bis zu einer stark abgespeckten Variante von 500 Millionen Franken.
Weiter soll der Bundesrat prüfen, das Internetangebot der SRG auf eine Audio- und Videothek zu beschränken. Zudem soll sich der Bericht laut dem Nationalrat am Subsidiaritätsprinzip orientieren. Will heissen: Nur wo kein entsprechendes Angebot privater Medienanbieter vorliegt, soll ein Auftrag an die SRG geprüft werden.
Solche und ähnliche Vorstösse haben verschiedene Parlamentarier in den vergangenen Monaten eingereicht. Die Kritik gegenüber der SRG ist nach dem hauchdünnen Ausgang der Abstimmung über das Radio- und TV-Gesetz (RTVG) vom 14. Juni 2015 lauter geworden.
Der ärgste Widersacher, der Schweizerische Gewerbeverband, forderte jüngst erneut eine breite öffentliche Diskussion über «Inhalt und Umfang» des Service public. Mit der «No-Billag-Initiative» kommt die SRG nun noch stärker unter Druck. Nach dem Willen der Initianten soll der Bund in Friedenszeiten keine eigenen Radio- und Fernsehstationen betreiben und diese auch nicht subventionieren dürfen.
Misstrauen der Bürgerlichen
Trotz der Versprechen des Bundesrats und der SRG, es werde bei der Diskussion über den Service public kein Tabu geben, ist auch im Nationalrat die Aufregung gross. «Ich fürchte, dass der angekündigte Service-public-Bericht lückenhaft ausfallen wird», sagte Motionärin Rickli. Der Bundesrat lehne alle Vorschläge ab, die kritische Fragen betreffend Service public stellten.
Eine solche brachte beispielsweise Gregor Rutz (SVP/ZH) auf: «Warum soll die SRG Sachen schaffen, die im freien Markt existieren?» Christian Wasserfallen (FDP/BE) kritisierte, dass die SRG nicht im Wettbewerb stehe.
Nicht gut weg kam in der Debatte ein vergangene Woche vorgestellter Bericht der Eidgenössischen Medienkommission (EMEK). Laut Jürg Grossen (GLP/BE) will diese einfach am Status quo festhalten und noch etwas mehr Bürokratie schaffen. Es brauche aber eine ergebnisoffene Diskussion, «sonst wird die SRG so weiter funktionieren wie bisher und in die Wand fahren».
Leuthards Versprechen
Weniger emotional waren die Voten der übrigen Fraktionen. Verschiedene Redner mahnten, zuerst den Bericht des Bundesrats abzuwarten und erst danach eine Grundsatzdebatte zu führen. «Wir haben es hier nicht mit Socken und Unterhemden im Ausverkauf zu tun, sondern mit einem zentralen Grundsatz der Bundesverfassung», sagte Regula Rytz (Grüne/BE).
Medienministerin Doris Leuthard verteidigte derweil das Vorgehen des Bundesrats: «Ich verspreche Ihnen, der Bericht wird nicht lückenhaft sein.» Die Fragen vieler Bürger, ob der Service-public-Auftrag noch stimme oder ob es Anpassungen brauche, seien legitim. «Wir werden noch stundenlang diskutieren.»