Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK) will die Personenfreizügigkeit auf Kroatien ausdehnen. Sie beantragt, das vom Bundesrat unterzeichnete Zusatzprotokoll zum Freizügigkeitsabkommen zu ratifizieren.
Das hat die APK mit 17 zu 7 Stimmen beschlossen, wie Kommissionspräsident Roland Büchel (SVP/SG) am Dienstag vor den Bundeshausmedien sagte. Wegen Zweifeln an der Verfassungsmässigkeit des Beschlusses wollte eine Minderheit gar nicht auf die Vorlage eintreten, wurde aber überstimmt.
Seit Annahme der Masseneinwanderungsinitiative verbietet die Verfassung neue völkerrechtliche Verträge, die keine Steuerung der Zuwanderung erlauben. Die Kommission habe intensiv über diese Frage gestritten, sagte Büchel.
Laut APK-Mitglied Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP/BL) war die Mehrheit aber der Meinung, dass die Verabschiedung der Vorlage noch keinen Verfassungsbruch darstelle. Dazu käme es erst durch die tatsächlichen Ratifizierung, also mit der Übergabe der Dokumente an die EU. Und das könne erst geschehen, wenn es eine Lösung in der Zuwanderungsfrage gebe, sagte Schneider-Schneiter.
Bloss ein erster Schritt
Formell ist die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit zwar nur mit der Teilnahme der Schweiz am Forschungsabkommen 2020 verknüpft. Tatsächlich hängen aber alle ungelösten Probleme mit der EU daran. Das Zusatzprotokoll ist bloss ein erster Schritt, dieses Knäuel zu entwirren.
Zunächst geht es um Horizon 2020: Weil sich der Bundesrat nach Annahme der Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar 2014 ausser Stande sah, das Kroatien-Protokoll zu unterzeichnen, verweigerte die EU der Schweiz die weitere Forschungszusammenarbeit.
Einige Monate später einigten sich die beiden Seiten auf eine Übergangslösung: Die Schweiz kann teilweise bei Horizon 2020 mitmachen. Wenn aber das Kroatien-Protokoll nicht bis am 9. Februar 2017 ratifiziert ist, endet die Zusammenarbeit endgültig. Falls die Ratifizierung zu Stande kommt, ist die Schweiz voll assoziiert.
Diplomatisches Kartenhaus
Dazu braucht es aber eine Einigung mit der EU über die Begrenzung der Zuwanderung. Denn nur wenn die Masseneinwanderungsinitiative umgesetzt ist, ist die tatsächliche Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien auch verfassungskonform. Und tragfähig ist die Lösung nur im Einvernehmen mit Brüssel.
Verhandlungen darüber gibt es nicht, doch wird hinter verschlossenen Türen seit Monaten um eine Einigung gerungen. Bis zum «Brexit»-Referendum am 23. Juni in Grossbritannien ist kein Durchbruch zu erwarten. Danach müsste es rasch vorangehen, wenn aus dem diplomatischen Kartenhaus ein solides Gebäude werden soll.
Vorerst hat der Bundesrat eine Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative ohne den Segen Brüssels vorgeschlagen: Ab 2019 soll die Zuwanderung nötigenfalls mit einer Schutzklausel eingeschränkt werden. Auf diese einseitige Massnahme könnte die EU mit der Kündigung des Freizügigkeitsabkommens reagieren. Damit würden wohl die Bilateralen I insgesamt wegfallen. Die Lösung der institutionellen Fragen und weitere Marktzugangsabkommen würden in weite Ferne rücken.
Alternative Lösungen
Über diese Vorschläge des Bundesrats hat die AKP ebenfalls diskutiert. Federführend ist aber die Staatspolitische Kommission. In einem Mitbericht regt die APK unter anderem an, eine Schutzklausel analog jener Lösung zu prüfen, welche Grossbritannien mit der EU ausgehandelt hat. Sie möchte den Bundesrat auch beauftragen, über eine Umsetzung mit einem Inländervorrang nachzudenken.
Zum Kroatien-Protokoll sind mehrere Anträge gescheitert: Eine Minderheit wollte in dem Bundesbeschluss explizit auf die Volksabstimmungen über Einführung respektive Ausdehnung der Personenfreizügigkeit hinweisen. Abgelehnt wurde auch der Antrag, das Protokoll erst dann zu ratifizieren, wenn die Masseneinwanderungsinitiative umgesetzt ist.
Enger Zeitplan
Das Kroatien-Protokoll ist nun bereit für die Beratung in der Sondersession des Nationalrats von Ende April. Im Juni soll der Ständerat darüber entscheiden. Die Vorschläge zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative könnten laut Büchel schon im Juni vom Nationalrat beraten werden, im September dann vom Ständerat. Je nach Tempo der Kommissionsarbeit könnten sich die Beratungen aber auch um ein Quartal nach hinten verschieben.