Der ukrainischen Übergangsregierung entgleitet die Kontrolle über den russisch geprägten Osten immer weiter. Die Hoffnungen richten sich nun auf ein Krisentreffen in Genf. Die NATO will derweil ihre Bündnispartner beruhigen und verstärkt ihre Präsenz in Osteuropa.
«Wir werden mehr Flugzeuge in der Luft haben, mehr Schiffe im Wasser und wir werden auf dem Land eine erhöhte Bereitschaft haben», sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen nach einem Treffen des NATO-Rats in Brüssel.
Die beschlossenen Massnahmen im östlichen Teil des Bündnisgebietes würden unverzüglich umgesetzt. «Falls nötig, werden in den kommenden Wochen und Monaten weitere Massnahmen folgen», so Rasmussen.
Der NATO-Oberkommandant, US-General Philip Breedlove, ergänzte, die Massnahmen seien «rein defensiv» und «keine Bedrohung Russlands». Der Rat reagierte mit der stärkeren Präsenz auf Bitten der drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland sowie Polens und Rumäniens.
Der Westen und die Übergangsregierung in Kiew werfen Russland vor, die prorussischen und separatistischen Kräfte in der Ostukraine zu unterstützen. Moskau wies bisher alle Anschuldigungen einer Einmischung in die Unruhen im Nachbarland jedoch strikt zurück.
Die Lage im Osten der Ukraine wird immer unübersichtlicher. Die Übergangsregierung scheint die Kontrolle über den russisch geprägten Landesteil zunehmend zu entgleiten. Prorussische Separatisten besetzten am Mittwoch das Rathaus der Bergarbeiterstadt Donezk, die das industrielle Zentrum der Region bildet.
Truppen laufen über
Die Übergangsregierung hatte am Wochenende Truppen im Rahmen eines «Anti-Terror-Einsatzes» entsandt, um zahlreiche besetzte Polizei- und Verwaltungsgebäude zu befreien. Der Militäreinsatz geriet mittlerweile arg ins Stocken.
In den Städten Kramatorsk und Slawjansk liefen Regierungseinheiten mit gepanzerten Fahrzeugen zu moskautreuen Aktivisten über. Sechs Militärfahrzeuge seien von Anwohnern unter Anleitung von bewaffneten Aktivisten blockiert und dann übernommen wurden, teilte das Ministerium mit.
Eine weitere ukrainische Militärkolonne streckte in Kramatorsk die Waffen. Die Soldaten machten vor einem uniformierten Mann ohne Abzeichen ihre Waffen unbrauchbar, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Im Gegenzug erhielten die Soldaten die Zusicherung, den Rückweg antreten zu können.
In anderen Städten der Region bildeten sich hingegen Bürgerwehren. Sie wollten die Sicherheitskräfte der prowestlichen Führung in Kiew unterstützen und sich gegen die Separatisten verteidigen.
Treffen in Genf
Hoffnungen auf eine Deeskalation wird nun auf ein Krisentreffen in Genf gesetzt. Am (morgigen) Donnerstag sollten die diplomatischen Bemühungen für eine politische Lösung in eine neue Runde gehen: Neben Diplomaten der USA und der EU treffen dort auch erstmals seit Beginn des Konflikts die Aussenminister Russlands und der Ukraine zu direkten Verhandlungen aufeinander.