Regionale Unterschiede der natürlichen Hintergrundstrahlung aus dem Boden und dem Weltall können das Krebsrisiko bei Kindern beeinflussen. Dies zeigt eine Studie der Universität Bern. Sie liefert handfeste Hinweise darauf, dass auch relativ kleine Strahlungsdosen bei Kindern Krebs fördern.
In der Schweiz erkranken jährlich etwa 200 Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren an Krebs – am häufigsten an Leukämien (Blutkrebs, 30 Prozent aller Fälle) und Hirntumoren (20 Prozent). Die Ursachen sind weitgehend unbekannt, aber insbesondere für diese beiden Krebsarten ist ionisierende Strahlung eine bekannte Umweltursache.
Ionisierende Strahlung ist jene Art von Strahlung, wie sie etwa von radioaktiven Materialien ausgeht. Die Schädlichkeit hoher Dosen davon sind spätestens seit den Bombenabwürfen in Japan bekannt. Doch daneben ist die Bevölkerung auch einer allgegenwärtigen, natürlichen Hintergrundstrahlung aus dem Erdboden und dem Weltall ausgesetzt.
Grosse Stichprobe
Wie sich diese über viele Jahre geringe, kontinuierlich anfallende Dosis auf das Krebsrisiko bei Kindern auswirkt, war bislang ungewiss, wie die Universität Bern am Montag mitteilte. Da es sich um sehr geringe Dosen und seltene Krankheiten handelt, muss diese Frage anhand grosser Stichproben erkundet werden.
Diese fand das Team um Ben Spycher und Claudia Kuehni von der Universität Bern in der Schweizerischen Nationalen Kohorte: Sie schliesst alle Kinder ein, die in den Volkszählungen von 1990 und 2000 erfasst wurden – insgesamt über 2 Millionen Kinder unter 16 Jahren.
Sie kombinierten die Daten mit Strahlungskarten der Schweiz, mit denen sie die Dosisleistung (Dosis pro Zeiteinheit) von terrestrischer und kosmischer Strahlung am Wohnort der Kinder zum Zeitpunkt der Volkszählung abschätzen konnten. Mit dem Schweizer Kinderkrebsregister konnten die Krebserkrankungen nach diesem Zeitpunkt ermittelt werden.
Erhöhte Belastung
Dabei zeigte sich, dass etwa ein Prozent der Kinder in der Schweiz erhöhten Strahlenbelastungen von über 200 Nanosievert pro Stunde aus Gestein oder Kosmos ausgesetzt ist. Bei diesen Kindern wurden elf Leukämien und acht Hirntumore beobachtet. Bei Kindern, die um 100 Nanosievert pro Stunde oder weniger ausgesetzt sind, die im Mittelland übliche Dosis, würde man nur sechs Leukämiefälle und etwa vier Hirntumoren erwarten, erklärte Erstautor Spycher auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.
Das Krebsrisiko nimmt pro Millisievert zusätzlicher kumulierter Dosis um etwa vier Prozent zu, und zwar sowohl für Leukämien wie auch für Hirntumore. Diese Werte ähneln jenen einer kürzlich erschienen Studie aus England, erklärten die Forscher.
Röntgen und Flüge
Andere regionale Unterschiede wie das Leben auf dem Land oder in der Stadt, ein Wohlstandsgefälle oder die Nähe zu Autobahnen, Hochspannungsleitungen oder Radio- und TV-Sendern konnten diese Risikounterschiede laut den Forschern nicht erklären.
Terrestrische und kosmische Strahlung sind nur zwei Komponenten der gesamten Strahlenbelastung der Bevölkerung. Grösser ist die Belastung durch Radongas, das beim Zerfall von natürlich vorkommendem Uran im Erdreich entsteht und via Ritzen in Gebäude eindringen kann. Es erhöht vor allem das Risiko für Lungenkrebs.
Eine wichtige Strahlungsquelle ist zudem die medizinische Diagnostik wie das Röntgen. Die Belastung beträgt durchschnittlich 1,2 Millisievert pro Jahr und Person – dies entspricht der Grössenordnung der natürlichen Hintergrundstrahlung. Auch bei langen Flugreisen sind Passagiere und Crew erhöhter kosmischer Strahlung ausgesetzt.