Nel giardino dei suoni – die DVD für Stille Nächte

Was sehen die Blinden nicht alles, was wir noch nicht einmal hören wollen! „Nel giardino dei suoni“ hat mich wieder daran erinnert. : Wie ich auf Gleis 10 im Bahnhof Olten von einem Mann gefragt worden war, ob wir auf Gleis 10 seien. Nel giardino dei suoni Was sehen die Blinden nicht alles, was wir […]

Was sehen die Blinden nicht alles, was wir noch nicht einmal hören wollen! „Nel giardino dei suoni“ hat mich wieder daran erinnert. : Wie ich auf Gleis 10 im Bahnhof Olten von einem Mann gefragt worden war, ob wir auf Gleis 10 seien.

Nel giardino dei suoni

Was sehen die Blinden nicht alles, was wir noch nicht einmal hören wollen! „Nel giardino dei suoni“ hat mich wieder daran erinnert. : Wie ich auf Gleis 10 im Bahnhof Olten von einem Mann gefragt worden war, ob wir auf Gleis 10 seien. Ich habe leicht irritiert genickt. Worauf er seine Frage wiederholte. Erst jetzt wurde mir klar, dass er ein Blinder war. Ich entschuldigte mich und antwortete hörbar: „Ja. Gleis 10.“ „Können Sie mir den Einstieg in die zweite Klasse zeigen?“ Wir kamen ins Gespräch. Ich weiss noch, dass wir über Klavierstimmen plauderten, über Stimmenerkennung, über stimmerkennende  Computer, und über sprachliche Wendungen wie: „Jo, mol luege“. Oder das „Auf Wiedersehen“. Wir lachten darüber, dass auch Blinde das Wort sehen verwenden, ohne selber sehen zu müssen. Ich erinnere mich, wie mir sein Lachen so unendlich viel persönlicher vorkam, als ich es von uns Sehenden kannte. Wir vertrieben uns die Wartezeit mit kleinen Versuchen, über die Klänge eines Bahnhofs herauszufinden, wo die Eingangstür des Zuges sich öffnen würde. Wo die zweite Klasse stehen würde. Blinde machen das täglich. Und mein neuer blinder Freund gestand auch, dass er schon einmal im Zug geirrt habe, als er nach Basel fahren wollte, ebenso wie ich, der einmal in Chur übernachten musste, weil ich nicht im Zug nach Basel sondern nach Chur gereist war – nota bene, als es draussen finster war….

Als der Zug einfuhr, ging ich voran. Mir war die blinde Frau, die während unseres Gespräches ein paar Schritte von uns entfernt bei der Treppe auch auf den Zug nach Basel gewartete hatte, nicht entgangen  – ohne allerdings meinen Gesprächspartner auf sie aufmerksam zu machen. Ich zeigte den Weg in die zweite Klasse, suchte ein leeres Abteil, und konnte es mir dann doch nicht verkneifen, meinen Gesprächsfreund in just jenes Abteil zu geleiten, in welchem ich die blinde junge Frau hatte sich setzen sehen.

Da sassen sie sich nun in der Stille des Abteils gegenüber: Die beiden Sehbehinderten. Ich habe selten so intensiv dem Oltener Bahnhofmix gelauscht, den überflüssigen Ansagen über le service minibar. Notre personel prend congé de vous. Mir war plötzlich klar, wie aufdringlich ein vorbeirasender Zug jedes Gespräch töten konnte. Dann fuhren wir in den Hauenstein-Tunnel. Bei Minimallicht. Einen Moment herrschte Stille. Ich erkundigte mich bei meinem Mitreisenden, ob für ihn Stille wie für mich Dunkelheit sein könne? Er vermutete, dass Stille für ihn nicht so sehr die Abwesenheit von Geräuschen sei, wie für mich die Dunkelheit Abwesenheit von Licht sei, als sich die Frau einmischte: Sie hatte seine Stimme erkannt! Sie fragte: „Haben wir uns nicht heute auf der Tagung gesehen?“ Ich weiss nicht mehr im Detail, worüber wir uns weiter unterhielten, doch, wie das Gespräch endete: Die beiden tauschten in Basel ihre Telefonnummern aus. Beiden war klar, dass sie mehr austauschten als nur das. Ich stand leicht überflüssig  daneben – mit dem leisen Glücksbewusstsein, die beiden zusammengeführt zu haben, als der junge Mann sich plötzlich an mich wandte: „Merci. Fürs einfädeln.“ Wie hatte er bemerkt, dass ich es vorzog, mich unsichtbar zu fühlen? 

Ich habe nach „Nel giardino dei suoni“ noch einmal neu über diese Geschichte nachgedacht. Die Einblicke, die der Musiker, Therapeut und Klangforscher Wolfgang Fasser da in seinen Garten der Klänge gewährt, machen Erstaunliches erfahrbar: Über seine Behinderung (er ist als Jugendlicher erblindet) hat er zu einer therapeutischen Erweiterung gefunden. Mit seiner Geräuschewelt kann er anderen Behinderten die Sinne für die Welt näher bringen: Das macht „Nel giardino dei suoni“ zu mehr als einem blossen Dokumentar- Film über Musiktherapie. Es ist eine Entdeckungsreise in die Grenzgebiete der Kommunikation, ein leiser und berührender Film über die «hörbare Welt», die wir Sehenden normalerweise nicht oder kaum bewusst wahrnehmen.

Die DVD ist im Handel. Wer keine Verlegenheitslösung fürs Weihnachtsgeschenk sucht: Hier ist es zu finden. Die DVD von NEL GIARDINO DEI SUONI mit 2h30 Bonus-Material kann man reservieren bei:  info@cineworx.ch

 

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