Stan Wawrinka gegen Andy Murray, Sandspezialist gegen die Nummer 1 der Welt. Das gab es bereits im letzten Jahr im Halbfinal des French Open. Mit überraschendem Ausgang.
«Das war einer meiner besten Sandmatches überhaupt», erinnert sich Andy Murray an seinen Viersatzsieg vor einem Jahr an gleicher Stätte. «Einen solchen brauche ich auch diesmal wieder.» Auch Stan Wawrinka erinnerte am Mittwoch in erster Linie an die Unterschiede im Vergleich zur Partie vor einem Jahr. «Andy verfügt im Moment nicht über das gleiche Selbstvertrauen, er ist wesentlich zögerlicher. Das muss ich ausnützen.» Er wird deshalb heute Freitag um 12:45 Uhr als Favorit auf den Centre Court treten.
Murray überraschte wohl sogar sich selber ein wenig mit seiner Halbfinalqualifikation. Er war nach einem Mammutprogramm mit einer eindrücklichen Siegesserie in der zweiten Hälfte 2016 ohne grosse Pause ins neue Jahr gestartet – mit der zusätzlichen Würde (und Bürde) der Nummer 1. Die Folge waren mehrheitlich blasse und enttäuschende Leistungen. Der Schotte, der in der Woche vor dem Start des French Open 30-jährig geworden war, gewann erst ein Turnier (Dubai) und auf Sand bei vier Starts nur fünf Matches. «Ich spielte echten Müll», gibt Murray zu. «Auch im Training lief es nicht gut.»
Doch Murray steigerte sich zusehends. Spätestens beim Dreisatzerfolg gegen Juan Martin Del Potro in der 3. Runde kam langsam wieder der gewohnte Murray zum Vorschein. Die Rückkehr von Coach Ivan Lendl, der in diesem Jahr zuvor nur beim Australian Open dabei war, scheint ihm gut getan zu haben.
Wawrinkas Selbstvertrauen
Dennoch marschierte Wawrinka wesentlich überzeugender durch das Turnier. Er steht zum neunten Mal in einem Grand-Slam-Final, zum dritten Mal in Folge in Paris, doch erstmals, ohne auf dem Weg auch nur einen Satz abgegeben zu haben. «Das Selbstvertrauen ist seit dem Turniersieg in Genf wieder da», stellt der 32-jährige Waadtländer fest. Älter war in einem French-Open-Halbfinal letztmals Jimmy Connors 1985. Besonders eindrücklich war, wie Wawrinka die wichtigen Punkte spielte. In der 1. Runde gegen den Slowaken Jozef Kovalik wehrte er zwei Satzbälle ab, in der 3. gegen den Italiener Fabio Fognini sogar deren vier. «Es ist das Wissen, dass ich diese grossen Turniere gewinnen kann, das mir hilft, diese Schlüsselmomente gut zu spielen.»
Nicht zuletzt zeigt sich «Stanimal» Wawrinka einmal mehr bei einem Grand-Slam-Turnier, wo auf drei Gewinnsätze gespielt wird und die Gegner in den ersten beiden Runden ausserhalb der Top 30 figurieren, bärenstark. Seine Bilanz bei diesen Major-Turnieren ist verblüffend: Mit drei hat er gleich viele gewonnen wie Murray. Der Brite hat aber insgesamt 45 ATP-Titel gesammelt, Wawrinka gerade mal 16.
Wawrinka scheint auch der Spieler zu sein, der am ehesten Rafael Nadal an seiner persönlichen «Décima», dem zehnten Titel in Roland Garros, hindern könnte. Der Spanier steht im Anschluss an die Partie zwischen dem Champion von 2015 und Murray dem Österreicher Dominic Thiem gegenüber. Es wäre doch eine Überraschung, wenn der 23-Jährige seinem Coup gegen Novak Djokovic gleich auch noch einen Sieg gegen Nadal folgen lassen würde – auch wenn er ihm im Viertelfinal von Rom die bisherige einzige Niederlage auf Sand in diesem Jahr zufügte. Nadals monumentale Bilanz in Sandplatzmatches auf drei Gewinnsätze: 100 Siege, 2 Niederlagen.