Die Neuauflage des Prozesses zur Drogenschmuggel-Affäre vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona hat am Freitag mit der Anhörung eines ehemaligen Tessiner Staatsanwaltes begonnen. Der heutige Rechtsanwalt äusserte sich zu juristischen Auskünften, die er einem der neun Angeklagten gegeben haben soll.
Die Bundesanwaltschaft (BA) interessierte sich vor allem für die Frage, ob ein angeklagter Wechselstuben-Besitzer zu Beginn der 90er-Jahre bei dem Tessiner Juristen konkrete Informationen zur Rechtmässigkeit seiner Geschäftstätigkeit eingeholt habe.
Hintergrund sei dabei die Tatsache, dass in den Jahren 1990 und 1994 die Gesetze zu Geldwäscherei und Krimineller Organisation verschärft worden sind. Der ehemalige Tessiner Staatsanwalt bejahte am Freitag zwar, dass der Devisenhändler ihn damals in seiner Funktion als Anwalt aufgesucht habe.
Er habe dem Tessiner Wechselstuben-Besitzer aber vermittelt, an keinem Mandat interessiert zu sein. Informationen habe er nur auf oberflächliche Weise gegeben. In Details sei er bewusst nicht gegangen. Der Tessiner Jurist betonte im Rahmen der Anhörung, durch seine Zeit als Staatsanwalt mit der Materie des organisierten Verbrechens vertraut zu sein.
Carla del Ponte als Zeugin
Der Prozess wird am Montag fortgesetzt. Auf dem Programm steht die Befragung der ehemaligen Tessiner Staatsanwältin Carla del Ponte. Auch sie soll als Zeugin aussagen. Insgesamt fünf Verhandlungstage sind für die kommende Woche angesetzt. Die Urteilseröffnung ist für den 21. März vorgesehen.
Wie schon im ersten Prozess im Jahr 2009 müssen sich vor dem Bundesstrafgericht acht Männer und eine Frau verantworten. Sie sollen Teil einer internationalen Bande sein, die zwischen 1996 und 2000 über 215 Millionen Stangen Zigaretten via Montenegro nach Italien schmuggelte.
Nach Angaben der BA wurden diese Geschäfte und der Warentransport von der neapolitanischen Camorra und der apulischen Sacra Corona Unita kontrolliert. Die Clans wuschen über den Zigarettenschmuggel ihre illegal erworbenen Gelder. Finanzielle Drehscheibe war dabei die Schweiz.
Zwei Verurteilungen im ersten Prozess
Die BA geht von einer Deliktsumme von über einer Milliarde Franken aus. Entsprechend müssen sich die Angeklagten wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation oder deren Unterstützung sowie wegen qualifizierter Geldwäscherei verantworten.
Der Prozess im Juni 2009 hatte mit nur zwei Verurteilungen zu bedingten bzw. teilbedingten Haftstrafen wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation geendet. Sieben Angeklagte wurden freigesprochen.
Im März 2011 hiess das Bundesgericht sowohl eine Beschwerde der BA als auch zwei Beschwerden der Verurteilten gut und schickte den Fall zur Neubeurteilung zurück ans Bundesstrafgericht.