Europas Drogenexperten schlagen Alarm: Obwohl der Konsum klassischer Rauschmittel wie Heroin, Kokain oder Cannabis in Europa zum Teil zurückgeht, überschwemmen neue Designerdrogen den Kontinent. 2012 seien in den Ländern der Europäischen Union 73 bis dahin unbekannte, künstlich hergestellte Substanzen entdeckt worden.
Das sei die höchste Zahl von neu gemeldeten Drogen in einem Jahr, hiess es im Europäischen Drogenbericht der EU-Drogenbeobachtungsstelle EBDD . Ihr Bericht wurde am Dienstag in Lissabon veröffentlicht.
Während EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström fast schon resignierend das «nicht zu stoppende Angebot» neuer Drogen beklagte, betonte EBDD-Direktor Wolfgang Götz: «Das Drogenproblem ist im Wandel begriffen, es ist dynamischer, komplexer, und es stellt in vielerlei Hinsicht noch grössere Herausforderungen.»
Die oft sehr jungen Konsumenten spielten ein gefährliches Spiel. Sie seien in gewisser Weise «Versuchskaninchen», da man noch sehr wenig über die langfristigen Gesundheitsfolgen der Modedrogen wisse, warnte Götz.
Horrortrips
Die schlimmsten unmittelbaren Folgen des Konsums synthetischer Drogen, der häufig in Horrortrips endet, sind bekannt: Kontrollverlust, Herzrasen, Wahnvorstellungen bis hin zu Selbstmordgedanken, Selbstverstümmelungen und Aggressionen.
Die Modedrogen werden oft als Badesalz, Duftpulver oder Kräutermischungen getarnt vor allem im Internet verkauft und tragen coole Namen wie «Extreme Summer» oder «Ice». Die Drogen tauchen immer wieder unter neuen Produktnamen auf.
Die Mehrheit der Designerdrogen ahmen die Wirkung von Cannabis nach und sind mal als Pillen, mal als Pulver auf dem Markt.
Auch Stars wie die Sängerinnen Fergie (Black Eyed Peas) und Pink räumten bereits ein, sie hätten schon mit Aufputschmitteln wie dem Methamphetamin Crystal Meth schlimmste Erfahrungen gemacht. Das als «Zombie-Droge» bekannte weisse Pulver werde in den USA und Asien von Millionen und in Europa traditionell vor allem in Tschechien und der Slowakei konsumiert.
Rekord deutlich übertroffen
Der bisherige Rekord neuer Drogen (49) in Europa aus dem Jahr 2011 wurde 2012 gleich um rund 50 Prozent übertroffen. 2008 waren noch lediglich 13 neue Substanzen gemeldet worden. Diese Zahl kletterte danach rapide auf 24 (2009), 41 (2010) und 49.
Leicht rückläufig war der Konsum von Cannabis und Kokain sowie die Zahl der Heroin-Einsteige. Der heutige Drogenmarkt scheint sich laut dem Bericht weniger auf pflanzliche Rauschgifte zu stützen, die häufig lange Reisen bis Europa zurücklegen müssten.
Verbote helfen bei künstlichen Rauschmitteln oft nicht wirklich. Der Grund: Bereits eine leichte Änderung der Molekularstruktur durch die Drogenköche kann eine neue Substanz entstehen lassen, für die ein bestehendes Verbot nicht mehr greift.
Die EBDD fordert vielmehr, aufgrund der sich rasant verbreitenden Designerdrogen müssten die Strategien und Praxismodelle hinterfragt werden.