Vor der libyschen Küste hat sich am Donnerstag erneut eine Flüchtlingstragödie mit mindestens 20 Toten ereignet. Bis zum Nachmittag wurden 88 Menschen lebend aus dem Meer gerettet. Zudem gab es Hinweise auf eine noch grössere Katastrophe.
77 Flüchtlinge wurden von einem spanischen Schiff und elf von der italienischen Küstenwache gerettet. «Wir haben die Körper von etwa 20 Leichen im Wasser entdeckt, aber sie sind noch nicht geborgen worden», sagte ein Sprecher der EU-Mission EUNAVFOR ME. Aus welchen Ländern die Flüchtlinge stammen, war zunächst unklar.
Flugzeuge von EUNAVFOR MED hatten die Verunglückten zuvor im Meer entdeckt. Nachdem ihr Holzboot 30 Seemeilen vor Libyen gesunken war, klammerten sich viele noch an das Wrack. Aus der Luft seien den verzweifelten Menschen im Wasser Schwimmwesten zugeworfen worden, hiess es.
Zuvor hatte es Hinweise auf ein noch grösseres Drama gegeben. Die Hilfsorganisation «Sea Watch» schrieb auf ihrer Facebook-Seite: «Am heutigen Tage findet womöglich die schlimmste Tragödie im Mittelmeer statt, die je erlebt wurde».
«Die Rede ist von Tausenden Toten», hiess es auch in einem Tweet der Organisation. Später entfernte «Sea Watch» die Zahl aus dem Facebook-Beitrag. Es sei mit Sicherheit eine schlimme Tragödie, über die Zahl der Opfer könne man aber vorerst nichts Genaues sagen, räumte eine Sprecherin ein.
«Watch The Med» berichtete von einem von zwei Holzbooten abgesetzten Notruf. Laut der Freiwilligenorganisation sollen insgesamt 1000 Menschen an Bord der Boote gewesen sein. Eines sei später gesunken, hiess es.
Die Organisation «Sea Watch», die mit einem Schlauchboot in der Region war, berichtete zudem von einem Unglück, bei dem drei Boote gesunken seien, es gebe viele Tote.
4000 Menschen gerettet
Die italienische Küstenwache erklärte, sie habe seit Donnerstagmorgen mehr als 20 Rettungseinsätze koordiniert, bei denen insgesamt etwa 4000 Menschen in Sicherheit gebracht worden seien.
Bereits am Mittwoch war ein völlig überfülltes Boot vor der libyschen Küste gekentert. Die Insassen hatten zuvor zwei Schiffe entdeckt und sich alle auf eine Seite verlagert. Rettungskräfte versuchten daraufhin auch unter Einsatz von Helikoptern, die Menschen aus dem Wasser zu holen. Für fünf von ihnen kam jede Hilfe zu spät. 562 Menschen konnten gerettet werden.
Mit dem Beginn der warmen Jahreszeit wagen wieder mehr Flüchtlinge die Überfahrt aus Nordafrika. Das Mittelmeer gilt allerdings als die gefährlichste Flüchtlingsroute der Welt: Seit Anfang des Jahres sind Schätzungen der Internationalen Organisation für Migration zufolge mindestens 1350 Menschen ertrunken.