Ägypten findet nicht zur Ruhe. Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi liefern sich weiterhin Strassenschlachten mit der Polizei; dabei starben erneut sieben Menschen. In Kairo wurde die Übergangsregierung vereidigt.
Bei der Vereidigung der neuen Regierung zwei Wochen nach dem Umsturz verdichteten sich Hinweise, dass das Militär eine stärkere politische Rolle spielen will. Bei der Vereidigung der Übergangsregierung in Kairo wurde bekannt, dass der Kommandant der Streitkräfte, Abdel Fattah al-Sisi, deutlich mehr Befugnisse erhält. Neben dem Verteidigungsressort übernimmt der von den Islamisten scharf kritisierte General auch den Posten des ersten Stellvertreters von Ministerpräsident Hasem al-Beblawi.
Militärchef Al-Sisi hatte ursprünglich versprochen, dass die Macht in die Hände ziviler Politiker gelegt werde.
An den Spitzen der Wirtschaftsministerien überwiegen Fachleute. Finanzminister wurde Ahmed Galal, ein langjähriger Experte der Weltbank. Aussenminister wurde Nabil Fahmi, der von 1999 bis 2008 Botschafter in Washington war. Auch Al-Beblawi ist ein Wirtschaftsfachmann mit langjährigen Erfahrungen in Entwicklungsbanken und UNO-Organisationen.
Bei Zusammenstössen zwischen Anhängern des gestürzten Präsidenten Mursi und der Polizei kamen in Kairo mindestens sieben Menschen ums Leben. Weitere 261 seien verletzt worden, teilte der Ambulanzdienst am Dienstag mit.
Zehntausende Anhänger der Muslimbruderschaft, aus der Mursi stammt, waren in der Nacht zum Dienstag in Kairo und anderen Städten des Landes auf die Strasse gegangen. Starke Polizeiaufgebote verhinderten in der Hauptstadt, dass die Islamisten wichtige Verkehrsnotenpunkte besetzten.
Gewalt und Zusammenstösse
An mehreren Orten kam es zu Zusammenstössen. Alle sieben Todesopfer waren Mursi-Anhänger. Allein vor der Universität Kairo starben vier von ihnen. Seit dem Sturz Mursis Anfang Juli war es immer wieder zu Strassenschlachten mit zahlreichen Toten gekommen.
Die spektakulärsten Auseinandersetzungen spielten sich in der Nacht auf Dienstag im Umkreis der 6.-Oktober-Brücke ab, wie die Tageszeitung «Al-Ahram» berichtete. Mursi-Anhänger hatten die Brücke, die über den Nil führt, mit Lastwagen und brennenden Autoreifen blockiert.
Hunderte Festnahmen
Die Polizei ging mit Tränengas und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor. Diese warfen Steine gegen die Sicherheitskräfte. Noch vor Mitternacht war die Brücke geräumt und wieder für den Verkehr geöffnet. Mehr als 400 Personen wurden nach Medienangaben festgenommen.
Die Muslimbruderschaft will ihre Anhänger so lange demonstrieren lassen, bis der gestürzte Präsident wieder im Amt ist. In einem Protestcamp im Osten von Kairo haben tausende Mursi-Anhänger ihre Zelte aufgeschlagen. Tausende Gegner der Herrschaft Mursis versammelten sich am Montagabend auf dem Tahrir-Platz unweit der Zusammenstösse.
Das ägyptische Militär hatte Mursi am 3. Juli abgesetzt, nachdem Massenproteste gegen seine islamistische Herrschaft und blutige Ausschreitungen das Land erschüttert hatten.
Erdogan hält Mursi die Treue
Heftige Kritik an der ägyptischen Übergangsregierung äusserte die türkische Regierung. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sagte in einem Gremium seiner konservativ-islamischen Regierungspartei AKP: «Unser Präsident ist Mursi.» Ein Sprecher des ägyptischen Aussenministeriums zeigte sich darüber «äusserst irritiert».
In Kairo sorgten weitere Aussagen türkischer Spitzenpolitiker für Irritationen. Wie die türkische Zeitung «Aksam» am Dienstag berichtete, habe Erdogan eine Begegnung mit dem ägyptischen Interims-Vizepräsidenten Mohammed al-Baradei abgelehnt. Mit einem solchen Treffen wolle die vom Militär gestützte Übergangsregierung in Kairo Legitimität erlangen, habe er in einem Gremium der AKP gesagt.
Staatspräsident Abdullah Gül verlangte in einem Gespräch mit dem ägyptischen Botschafter die sofortige Freilassung Mursis.