Neue Schülerproteste gegen Abschiebung in Frankreich

In Frankreich haben erneut tausende Gymnasiasten gegen die umstrittene Abschiebung einer 15-Jährigen Schülerin in das Kosovo protestiert. Sie forderten Innenminister Manuel Valls zum Rücktritt auf.

Jugendliche konfrontieren Polizisten am Freitag in Paris (Bild: sda)

In Frankreich haben erneut tausende Gymnasiasten gegen die umstrittene Abschiebung einer 15-Jährigen Schülerin in das Kosovo protestiert. Sie forderten Innenminister Manuel Valls zum Rücktritt auf.

Allein an einer Demonstration in Paris nahmen am Freitag laut der Polizei 4000 Menschen teil, Schülervertreter sprachen von 12’000 Teilnehmern.

Landesweit wurden ihren Angaben zufolge mindestens 170 Schulen blockiert oder zur Schliessung gezwungen. In der französischen Hauptstadt und deren Umgebung wurden nach Polizeiangaben 45 Schulen bestreikt. Einige der Demonstranten seien durch aggressives Verhalten aufgefallen, es habe vier Festnahmen gegeben.

Schülervertretungen sprachen von 10’000 weiteren Demonstranten in anderen Städten wie Marseille, Grenoble und La Rochelle. Den Protesten in Paris schloss sich auch der frühere Präsidentschaftskandidat und Vorsitzende der Linkspartei, Jean-Luc Mélenchon, an.

Polizei holte Mädchen während Schulausflug ab

Der Fall Leonardas ebenso wie die Abschiebung eines 19-jährigen Schülers mit armenischen Wurzeln sorgen in Frankreich seit Tagen für Empörung: Die seit mehreren Jahren in Ostfrankreich lebende 15-Jährige Leonarda war auf einem Schulausflug von Polizisten aus dem Bus geholt und mitsamt ihrer Familie abgeschoben worden, nachdem ihr Asylantrag abgelehnt worden war.

Der Vorfall ereignete sich schon am 9. Oktober, wurde aber erst diese Woche von einer Nichtregierungsorganisation publik gemacht.

Valls bricht Besuch in der Karibik ab

Innenminister Valls verkürzte am Freitag einen Besuch in den französischen Antillen, um am Samstag die Ergebnisse einer behördlichen Untersuchung über die Umstände der Abschiebung Leonardas entgegenzunehmen. Laut Regierungskreisen soll es im Laufe des Wochenendes eine offizielle Reaktion geben.

Sozialistische Spitzenpolitiker kritisierten das Vorgehen gegen das Mädchen scharf, die Linkspartei forderte den Rücktritt von Valls. Der sozialistische Innenminister hatte bereits vor einigen Wochen für Empörung gesorgt, als er den Integrationswillen der meisten in Frankreich lebenden Roma öffentlich anzweifelte.

Mehrere Sozialisten fordern nun eine Rückkehr Leonardas nach Frankreich. Anne Hidalgo, die im kommenden Jahr ihren Parteifreund Bertrand Delanoë im Pariser Rathaus beerben will, forderte am Freitag, dass von der Abschiebung bedrohte ausländische Familien mit einem eingeschulten Kind «geschützt» werden sollten. Der Elysée-Palast hatte in dieser Frage am Donnerstagabend Entgegenkommen signalisiert.

Polizei holte Mädchen während Schulausflug ab

Eine neue Wendung bekam der Fall Leonarda, als deren Vater einräumte, die französischen Behörden bezüglich der Herkunft seiner Familie belogen zu haben. Demnach wurde nur er im Kosovo geboren. Noch als Kind sei er nach Italien gezogen, wo er seine Frau kennenlernte und wo auch fünf seiner sechs Kinder geboren wurden, unter ihnen Leonarda. Indem er in Frankreich angab, seine gesamte Familie stamme aus dem Kosovo, wollte er nach eigenen Angaben die Chancen auf Asyl verbessern.

In Frankreich war dem Familienvater auch Gewalt gegen zwei seiner Töchter vorgeworfen worden, es kam aber nie zu einem Prozess. Leonarda, die kein Albanisch spricht, hat gegenüber französischen Medien wiederholt ihren Willen geäussert, nach Frankreich zurückzukehren. Ihr Vater sagte der Nachrichtenagentur AFP, notfalls auch illegal «durch die Wälder» mit seiner Familie nach Frankreich zurückkehren zu wollen.

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