Mit mehrfachem Aufschub ist im krisengeschüttelten Tunesien am Sonntag eine neue Verfassung bestätigt worden. In der Nationalversammlung erhielt der Text eine überwältigende Mehrheit von 200 Stimmen bei zwölf Gegenstimmen.
Die neue Verfassung gilt als entscheidende Etappe, um drei Jahre nach der Revolution und dem Sturz von Machthaber Zine El Abidine Ben Ali die politische Übergangsphase abzuschliessen.
Wenige Stunden vor der Abstimmung hatte der designierte Ministerpräsident Mehdi Jomaâ eine neue Übergangsregierung präsentiert. Er habe Präsident Moncef Marzouki eine Liste mit den Namen seines Expertenkabinetts vorgelegt, sagte Jamaâ. Nun müsse die Nationalversammlung seine Regierung so schnell wie möglich bestätigen. Ein Termin wurde noch nicht genannt.
Zur Regierung aus unabhängigen Experten gehören 21 Minister und sieben Staatssekretäre. Die Regierungsbildung war am Wochenende zunächst gescheitert. Jomaâ hatte nach eigenen Angaben am Samstag vor allem für das wichtige Innenministerium keinen Konsens erzielen können.
Der 51 Jahre alte bisherige Industrieminister Jomaâ war im Dezember für die Regierungsspitze bestimmt worden. Staatspräsident Marzouki hatte ihn beauftragt, eine nicht von den Parteien dominierte Übergangsregierung zu bilden.
Politisch unabhängige Regierung
Nach den Vorgaben des sogenannten nationalen Dialogs sollen bis zu den für dieses Jahr geplanten Wahlen nur politisch unabhängige Experten in der Regierung sitzen.
Der Mord am Oppositionspolitiker Mohamed Brahmi Ende Juli hatte die Krise in Tunesien zugespitzt. Die Tat wurde zwar militanten Salafisten angelastet, doch die Opposition macht die bislang regierende Ennahda-Partei mitverantwortlich.
Die islamistische Partei willigte daraufhin ein, die Regierungsverantwortung im Rahmen eines nationalen Dialogs abzugeben, um die politische Krise zu beenden. Beide Seiten einigten sich schliesslich auf einen Fahrplan aus der Krise, der vorgezogene Neuwahlen vorsieht. Deren Vorbereitung gehört zu den zentralen Aufgaben für Jomaâs Expertenregierung.
Tunesien gilt als das Mutterland des Arabischen Frühlings. Mit dem Sturz von Langzeitherrscher Ben Ali hat Tunesien als eines der fortschrittlichsten Länder in der arabischen Welt die Grundlage gelegt für eine demokratische Entwicklung.