Neues Gesetz zum Nachrichtendienst dürfte vors Volk kommen

Über das neue Nachrichtendienstgesetz wird voraussichtlich das Volk entscheiden. Die Gegnerinnen und Gegner haben am Donnerstag die Unterschriften zum Referendum eingereicht, nach eigenen Angaben rund 67’000.

Gegen staatliche Überwachung hatten im März 1990 Tausende demonstriert. Die Gegner des neuen Nachrichtendienstgesetzes erinnern an diese Zeiten. (Bild: sda)

Über das neue Nachrichtendienstgesetz wird voraussichtlich das Volk entscheiden. Die Gegnerinnen und Gegner haben am Donnerstag die Unterschriften zum Referendum eingereicht, nach eigenen Angaben rund 67’000.

Die Unterschriften gesammelt hat das «Bündnis gegen den Schnüffelstaat», eine Allianz aus JUSO-, Grünen- und SP-Vertretern sowie Organisationen wie etwa die Digitale Gesellschaft oder Grundrechte.ch.

Mit dem neuen Gesetz dürfte der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) Telefone abhören, Privaträume verwanzen und in Computer eindringen. Auch wäre ihm erlaubt, grenzüberschreitende Signale aus Datenübertragungskabeln zu erfassen. Damit könnte ins Visier des Dienstes geraten, wer bestimmte Begriffe googelt oder in E-Mails erwähnt.

«Gefahr für die Demokratie»

Die Gegner warnen vor einer Totalüberwachung. Der Nachrichtendienst dürfe «auf keinen Fall» mehr Kompetenzen erhalten, sagte JUSO-Präsident Fabian Molina bei der Einreichung der Unterschriften. Er erinnerte an die Fichenaffäre. Damals seien Unschuldige systematisch überwacht worden, insbesondere Andersdenkende. Das sei eine grosse Gefahr für eine pluralistische Demokratie.

Molina erwähnte auch Edward Snowden und dessen Enthüllungen über den US-Geheimdienst NSA. Snowden habe sein Vorgehen damit begründet, dass er nicht in einer Welt ohne Privatsphäre leben möchte. So gehe es auch den Gegnerinnen und Gegnern des neuen Nachrichtendienstgesetzes.

«Hört regelmässig Helene Fischer»

Die Überwachung, die aus ihrer Sicht droht, verdeutlichten die Vertreter des Bündnisses mit fiktiven Ficheneinträgen. «Hat Reto B. Nacktbilder geschickt», stand etwa auf einem Zettel, «googelte nach Symptomen für Syphilis» oder «hört regelmässig Helene Fischer».

Die Unterschriften seien trotz des unwirtlichen politischen Klimas rasch zusammengekommen, sagte Molina. Allerdings habe man in der Sammelphase einen Vorgeschmack auf den Abstimmungskampf erhalten. So habe der ehemalige Nachrichtendienstchef Peter Regli nach den Anschlägen von Paris gesagt, die Linke gefährde mit dem Referendum die Sicherheit.

Der Abbau von Grundrechten habe aber nichts zu tun mit Sicherheit, sagte Molina – und kritisierte seinerseits Regli. Dieser sei ein typischer Vertreter der Geheimdienste, habe er es doch mit dem Gesetz nicht so genau genommen.

Strengere Kontrolle

Dass der Nachrichtendienst seine neuen Kompetenzen nicht missbraucht, gewährleisten aus Sicht der Befürworter die gesetzlichen Bestimmungen. Massnahmen wie das Verwanzen von Privaträumen oder das Eindringen in Computer wären genehmigungspflichtig: Zustimmen müsste jeweils neben dem Verteidigungsminister ein Richter des Bundesverwaltungsgerichts.

Das Parlament hat ausserdem beschlossen, dass der Nachrichtendienst stärker kontrolliert werden soll. Eine neue unabhängige Aufsichtsbehörde soll prüfen, ob er rechtmässig, zweckmässig und wirksam handelt.

Heikle Fragen

Für die Gegner ändert das allerdings nichts. Aus ihrer Sicht gäbe das neue Gesetz dem Nachrichtendienst Mittel in die Hand, welche die Tätigkeiten des Dienstes zu den Zeiten der Fichenaffäre als harmlos erscheinen lassen. Bundesrat Ueli Maurer räumte in der parlamentarischen Beratung ein, es gehe um heikle Fragen. Er versicherte gleichzeitig, die neuen Überwachungsmöglichkeiten würden gezielt eingesetzt, nur in etwa zehn Fällen pro Jahr.

Der Nationalrat hiess das Gesetz im vergangenen September mit 145 zu 41 Stimmen bei 8 Enthaltungen gut, der Ständerat mit 35 zu 5 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Sechs Jahre zuvor war ein ähnliches Gesetz im Parlament gescheitert.

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