Neunzig Dschihadisten in der Schweiz sind Gefahr für innere Sicherheit

Cyberattacken, Rechtsrockkonzerte und linke Gewalt: Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) befasst sich mit brisanten Dossiers. Betont wird im Jahresbericht vor allem die dschihadistische Gefahr. Aktuell zählt der Bund neunzig Risikopersonen.

Laut Markus Seiler, Chef des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB), droht der Schweiz von verschiedener Seite Gefahr. (Bild: sda)

Cyberattacken, Rechtsrockkonzerte und linke Gewalt: Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) befasst sich mit brisanten Dossiers. Betont wird im Jahresbericht vor allem die dschihadistische Gefahr. Aktuell zählt der Bund neunzig Risikopersonen.

Diese könnten «potenziell gefährlich sein für die innere Sicherheit der Schweiz», wie NDB-Chef Markus Seiler am Dienstag vor den Medien in Bern sagte. Bei den neunzig Risikopersonen handelt es sich um «Gefährder» gemäss Einschätzung von ausländischen Polizeistellen. Der NDB wolle aber diesen etwa in Deutschland gebräuchlichen Begriff nicht verwenden.

Der Nachrichtendienst zählte seit 2001 insgesamt 88 Dschihadreisende aus der Schweiz, davon dreissig Personen mit Schweizer Pass. Aktuell hat der Bund zwischen 85 und 94 Dschihadisten auf dem Radar. Die Zahl sei seit einer Weile «relativ stabil», sagte Seiler.

Zum Vergleich: Nach einer Untersuchung des französischen Senats halten sich derzeit über 17’000 mögliche radikal-islamistische Terroristen in Frankreich auf. Die deutschen Bundesländer stufen laut dem Bundeskriminalamt rund 590 Menschen mit Wohnsitz in Deutschland als islamistische Gefährder ein. Rund 300 Gefährder leben in Österreich.

Jung, männlich, aus der Agglo

Der NDB-Chef betonte, dass nicht von allen in der Schweiz gezählten rund neunzig Personen eine konkrete Anschlaggefahr ausgehe. Auch würden nicht alle diese Personen überwacht. «Aber eine Person alleine könnte unter Umständen verheerend sein.»

Bei den Risikopersonen handle es sich um mehr Männer als Frauen, um mehr Junge als Alte. Die meisten der Risikopersonen lebten in stadtnahen Agglomerationen, sagte Seiler. «Von Genf bis Rorschach, von Basel bis ins Tessin, aber nicht zuhinterst im Emmental.»

Verteidigungsminister Guy Parmelin ergänzte vor den Medien, dass in der Schweiz seit 2016 keine neuen Dschihadrückkehrer mehr registriert worden seien. Das entspreche auch dem europäischen Trend. «Die Lage stabilisiert sich langsam.» Trotzdem sei die Gefahr auch von Leuten gross, die nie in ein Dschihadgebiet gereist seien.

Knapp 500 auffällige Internetnutzer

Das Risiko, dass in der Schweiz Terroranschläge verübt werden könnten, bleibt weiter erhöht, wie es im 85-seitigen Lagebericht 2017 mit dem Titel «Sicherheit Schweiz» heisst. Darin wird auch die Notwendigkeit betont, stets gut auf Terrorangriffe vorbereitet zu sein.

Laut dem NDB geht die «Terrorgefahr für Europa, somit auch für die Schweiz, mit grosser Wahrscheinlichkeit von den Dschihad-Terrororganisationen aus». Dabei könnten sowohl Einzeltäter als auch Extremistengruppen die Schweiz zur Ausführung neuer Anschläge selbst als auch zur Vorbereitung nutzen.

Um Personen zu erkennen, die sich radikalisieren, beobachtet der Nachrichtendienst auch die Kommunikation in sozialen Medien. 2016 hat er 497 auffällige Internetnutzer identifiziert, die in der Schweiz Propagandamaterial zur Verherrlichung der dschihadistischen Ideologie verbreiteten. 2014 seien es noch knapp 300 gewesen, sagte Seiler.

Cyberspionage nimmt weiter zu

«Unsere Arbeit gewinnt an Relevanz; nicht, weil wir es so wollen, sondern, weil die Welt so ist, wie sie ist», sagte Seiler. Er und Verteidigungsminister Guy Parmelin sprachen an der Jahresmedienkonferenz neben dem Terror weitere Themen an.

Der Waadtländer SVP-Bundesrat strich etwa die zunehmende Gefahr von Cyberattacken und von Cyberspionage hervor. Auch die Schweiz selbst nutze dies zu ihrem Vorteil. Hierzulande werde ebenfalls fleissig spioniert. Im Fokus stehe der Staat und internationale Organisationen.

Links- und rechtsextreme Gewalt

Seiler sprach in seinem Jahresfazit auch die im vergangenen Jahr durchgeführten Anlasse rechtsextremer Kreise an. Er sagte: «Ein Neonazi zu sein, ist in der Schweiz nicht verboten.» Als Konsequenz aus der Fichen-Affäre sei klar: «Wir betreiben keine Gesinnungsschnüffelei – auch nicht dort, wo es unappetitlich wird.»

Der NDB werde nur aktiv, wenn er konkrete Hinweise auf drohende Gewalt habe. Zu den Neonazi-Konzerten sagte Seiler, dass man nur in Ausnahmefällen Einreisesperren verhängen könne. Es gelte aber zu verhindern, dass die Schweiz als Durchführungsort für rechtsextreme Konzerte an Attraktivität gewinne.

Während die rechtsextreme Szene in der Schweiz bisher mit Gewalt gegen Asylsuchende oder Infrastruktur und Dienstleister im Asylbereich hervorgetreten sei, habe die linksextreme Szene «Migration zu einem ihrer Hauptthemen gemacht» und agiere dabei «auch gewaltsam». Das Potenzial zu solchen Ausschreitungen sei weiterhin vorhanden.

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