Neuorganisation der AKW-Stilllegungs-Fonds ist umstritten

Mit einer Verordnungsrevision sollen die Karten bei der Führung der Stilllegungs- und Entsorgungsfonds neu gemischt werden. Die AKW-Betreiber würden an Einfluss verlieren. Bei ihnen und in Teilen der politischen Rechten stösst das Vorhaben daher auf Missfallen.

2019 ist heisst es beim AKW Mühleberg Lichter löschen (Bild: sda)

Mit einer Verordnungsrevision sollen die Karten bei der Führung der Stilllegungs- und Entsorgungsfonds neu gemischt werden. Die AKW-Betreiber würden an Einfluss verlieren. Bei ihnen und in Teilen der politischen Rechten stösst das Vorhaben daher auf Missfallen.

Die Betreiber von Atomkraftwerken müssen Geld in Stilllegungs- und Entsorgungsfonds einzahlen. Mit diesem Geld soll dereinst der Rückbau der AKW und die Atommülllagerung bezahlt werden.

Ein umstrittener Punkt ist die Besetzung der wichtigen Organe in diesen Fonds: Die AKW-Betreiber hätten zu viel Einfluss, monierte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) in einem Bericht vom November. In der Kommission, die alle wichtigen Entscheide fällt, dürfen die Betreiber knapp die Hälfte der Mitglieder stellen.

Diese Kritik durch die Finanzkontrolle war der Anlass für die vorliegende Revision. Bis zum (heutigen) Freitag hatten die betroffenen Parteien Zeit, sich in der Anhörung zu dem Anliegen zu äussern.

Die Revision will zum einen eine klare personelle Trennung zwischen der Kommission und der Aufsichtsbehörde. Gewisse Personen sollen sich nicht mehr in die Kommission wählen lassen können, beispielsweise Vertreter des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).

Zum anderen soll die Aufsicht über die Fonds verstärkt werden, namentlich durch das UVEK. Das Departement könnte künftig stärkeren Einfluss auf die Kostenstudien nehmen. Mit diesen wird abgeschätzt, wie viel der Rückbau und die Atommülllagerung kosten werden und folglich auch, wie viel die Betreiber in die Fonds einzahlen müssen.

Genug Geld?

An diesem Punkt entzündet sich der Konflikt. Im Grundsatz geht es um eine Frage: Ist am Schluss genug Geld in diesen Fonds, um die Kosten zu decken? Es gebe derzeit keinen Grund, daran zu zweifeln, teilen die FDP und die SVP mit. Die gesetzlichen Sollwerte seien trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds weiterhin erreicht worden, schreibt die FDP.

Ganz anders klingt es bei den Grünliberalen: Sie befürchten, dass am Schluss der Bund einspringen muss. Die Deckung der Kosten durch die Rückbaufonds sei noch zu tief, heisst es. Das finanzielle Risiko liege zu einem grossen Teil beim Bund und damit letztlich beim Steuerzahler. Die GLP unterstütze alle Bestrebungen, diesen Missstand zu beheben.

Greenpeace: Kein grosser Wurf

Gleicher Meinung sind Greenpeace und die Grünen. Sie unterstützen die Revision, bemängeln jedoch, dass sie nicht noch weiter geht. Greenpeace schreibt, der Vorschlag sei kein grosser Wurf. Er ermögliche aber zumindest eine Annäherung an die Kostenwahrheit in der Entsorgungsproblematik des Atommülls.

Bis heute hätten die Atomkraftbetreiber von einer «laisser faire»-Politik des Bundes profitiert und ihre Beiträge an Entsorgung und Stilllegung tief gehalten. Die Folge sei eine Unterdeckung der Fonds und ein Wettbewerbsvorteil für die Atomstromproduzenten. Heute zeige sich, dass Atomstrom ein Verlustgeschäft sei.

Die Rückstellung für die Entsorgung des Atommülls basierten auf viel zu tiefen Kosten, schreibt Greenpeace. Aus Sicht der Grünen müsste die Verordnung vorschreiben, dass bei der Kostenschätzung auch Probleme oder Verzögerungen eingerechnet werden. Sonst bestehe das Risiko, dass die Kosten auf künftige Generationen abgewälzt würden.

Ähnlich klingt es bei der SP. Der zweite Revisionsschritt vermöge die bekannten Probleme bei der Finanzierung der Fonds bei weitem nicht zu lösen. Ziel müsse sein, dass das Risiko der Finanzierung nicht vom Bund beziehungsweise den SteuerzahlerInnen getragen werden muss.

Verantwortung bei Betreibern

Dem hält die FDP entgegen, dass die Verantwortung für die Stilllegung und Entsorgung weiterhin bei den AKW-Eigentümern liege und nicht Aufgabe des Bundes sei. Die FDP beruft sich bei dieser Argumentation auf das im Kernenergiegesetz verankerte Verursacherprinzip.

Auch der Energiekonzern Axpo, Betreiber des AKW Beznau, hält fest: «Für eine Änderung besteht kein Anlass, da die Betreiber unabhängig von den in den Fonds angesparten Mitteln zur Finanzierung der Stilllegungs- und Entsorgungskosten verpflichtet sind.»

Der Bundesrat hatte die Fonds-Beiträge der AKW-Betreiber bereits auf Anfang dieses Jahres erhöhen wollen. Mehrere Betreiber wehrten sich jedoch: Die Axpo, die BKW – Betreiberin von Mühleberg – , sowie das Kernkraftwerk Leibstadt und das Zwischenlager reichten Einsprache beim Bundesverwaltungsgericht ein. Deshalb trat die revidierte Verordnung bisher nicht in Kraft. Es wird eine gerichtliche Beurteilung geben müssen.

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