Forschern ist erstmals ein Blick in die Energiequelle der Sonne gelungen, indem sie ihren Ausstoss an Neutrinos beobachtet haben. Den im Fachjournal «Nature» veröffentlichten Daten zufolge wird es nicht bald dunkel: Die Sonne wird noch während mindestens 100’000 Jahren scheinen.
Die Sonne leuchtet, weil in ihrem Inneren Wasserstoffkerne (Protonen) durch Kernfusion verschmelzen. Doch der endgültige Beweis für diesen Prozess war bisher noch ausstehend. Nun konnte ein internationales Team erstmals solare Neutrinos direkt nachweisen – die Elementarteilchen, die bei der Fusion zweier Protonen in der Sonne entstehen.
Dies eröffnet laut den Forschern einen ersten Blick darauf, was momentan im Inneren der Sonne vor sich geht. «So wie die Augen der Spiegel zur Seele sind, erlauben Neutrinos einen Blick ins Innenleben der Sonne – in ihre ‚Seele’», liess sich Mitautor Andrea Pocar, Physiker an der Universität von Massachusetts in Amherst, in einer Mitteilung zitieren.
Die Beobachtung gelang mit Hilfe des Teilchendetektors Borexino, der sich unter 1400 Metern Fels im Gran Sasso Labor in Italien befindet. Neutrinos sind extrem schwer einzufangen und nachzuweisen, denn sie durchdringen Materie nahezu ungehindert – und damit auch die meisten Messinstrumente.
Deshalb ist Borexino nicht nur durch den Fels, sondern auch Öl, Wasser und weitere Hüllschichten abgeschirmt. Photosensoren registrieren die winzigen Lichtblitze, die bei Neutrino-Kollisionen in der Detektorflüssigkeit auftreten.
Unschädliches Bombardement
Modelle besagen, dass rund 60 Milliarden von der Sonne ausgesendete Neutrinos pro Quadratzentimeter und Sekunde die Erde bombardieren. Wie die Forscher berichten, entspricht die von ihnen gemessene Neutrinodichte rund 66 Milliarden Teilchen pro Quadratzentimeter und Sekunde – was sehr gut mit den Modellen übereinstimme.
Während die bei der Kernfusion im Sonneninneren entstandene Strahlung 100’000 Jahre benötigt, um die turbulenten äusseren Schichten der Sonne zu passieren, passieren Neutrinos diese ungehindert innert Sekunden. Das Sonnenlicht gibt also nur Auskunft über vergangene Prozesse, während Neutrinos ein aktuelles Bild liefern.
«Indem wir diese beiden Arten von Sonnenenergie vergleichen, erhalten wir Informationen über ihr thermodynamisches Gleichgewicht für einen Zeitraum von rund 100’000 Jahren», erklärte Pocar. Die Resultate zeigten, dass die Sonne sich in dieser Zeit kaum verändert hat, und bestätigten, dass «unser Stern auf gleiche Weise während mindestens 100’000 weiteren Jahren funktionieren wird.»