Junge Bartgeier unternehmen oft weite Reisen – auf ihnen ruht deshalb die Hoffnung der Artenschützer, die verstreuten Bestände Europas zu verbinden.
Nun haben Schweizer und spanische Forscher aber festgestellt, dass die Tiere aus den Alpen und aus Spanien weit herumkommen, jene in den Pyrenäen jedoch eher sesshaft sind.
Dank Freisetzungsprogrammen gibt es heute in mehreren Gebirgen Europas wieder Bartgeier. Doch noch findet kein Austausch zwischen den Beständen statt. «Das Verhalten junger Bartgeier ist dabei sehr wichtig», erklärte Daniel Hegglin von der Stiftung Pro Bartgeier in Zürich, der an der Studie mitgewirkt hatte, der Nachrichtenagentur sda.
Junge Bartgeier können über 200 Kilometer pro Tag reisen – eines der mit GPS-Sendern untersuchten Tiere aus den Alpen zog 900 Kilometer bis in die Normandie.
Fleissige Alpen-Bartgeier
Doch nicht alle Jungtiere flogen gleich fleissig umher, berichten die Forscher nun im Fachjournal «PLoS ONE». Jene aus den Alpen und aus Andalusien kamen signifikant weiter herum als jene aus den Pyrenäen, die weitgehend in ihrem Gebirge blieben. Über die Ursachen für diese unterschiedliche Reiselust können die Forscher bisher nur spekulieren.
Die Pyrenäen-Population ist der einzige grössere natürliche Bestand von Bartgeiern in Europa – die Vögel in den Alpen und Andalusien wurden ausgewildert. Es wäre also möglich, dass der Pyrenäen-Bestand angesichts seines sicheren Lebensraums bereits genetisch sein Zugverhalten angepasst hat, erklärte Hegglin.
Futterplätze wegen Giftködern
Es gibt aber noch einen markanten Unterschied zwischen den Pyrenäen und den anderen Regionen: In den Pyrenäen werden die Bartgeier an grossen, sicheren Futterplätzen gefüttert. In jener Region kommt es immer wieder vor, dass Giftköder gegen Füchse oder andere Räuber ausgelegt werden – eine Katastrophe für die sich langsam vermehrenden Vögel.
Deshalb gebe es inzwischen Ansätze, dieses Futterregime in den Pyrenäen experimentell zu verändern, erklärte Hegglin. Damit werde sich dann zeigen, ob es für die Sesshaftigkeit der jungen Bartgeier verantwortlich ist.
«Man will einen Weg finden, um eine mehrere Bestände umfassende Metapopulation zu erreichen», erklärte Hegglin das Ziel der Studie. Das sichere den genetischen Austausch und somit die langfristige Stabilität der Bestände. Zu diesem Zweck werden derzeit auch im französischen Massif Central – zwischen Alpen und Pyrenäen gelegen – Bartgeier ausgewildert.
Schweiz sorgt für genetische Vielfalt
Den Bartgeiern im Alpenkamm gehe es indes bestens, sagte Hegglin. Die Population wachse aus eigener Kraft. Im Alpenraum dürfte es 170 bis 200, in der Schweiz 30 bis 50 Individuen geben, schätzt der Fachmann. In der Schweiz sei die Überlebensrate sehr hoch und im Engadin und im Wallis hätten sich mehrere Brutpaare etabliert.
So liegt in der Schweiz der Schwerpunkt darauf, für die genetische Auffrischung der Bestände zu sorgen. Denn die genetische Vielfalt der Bartgeier im Alpenraum sei noch nicht zufriedenstellend, sagte Hegglin. Hierzulande werden deshalb ausschliesslich genetisch besonders wertvolle Tiere freigesetzt.