Der niederländische Staat trägt die Verantwortung für den Tod dreier Muslime beim Völkermord von Srebrenica im Jahr 1995. Das Kassationsgericht in Den Haag bestätigte am Freitag das Urteil einer früheren Instanz.
Die Niederlande hatten dagegen Berufung eingelegt mit der Begründung, dass für den Einsatz in Bosnien nur die Vereinten Nationen verantwortlich waren. Das wies das Gericht zurück.
Richter Floris Bakels sagte, den Staat aus der Verantwortung zu entlassen, würde bedeuten, «dass die Justiz praktisch keine Möglichkeiten hat, um über bewaffnete Interventionen zu urteilen». Das wäre «inakzeptabel», sagte er.
Nachdem Bakels das Urteil gesprochen hatte, brachen die Angehörigen in Tränen aus und umarmten einander. «Es ist kaum zu glauben. Ich bin überglücklich», sagte Alma Mustafic, Tochter eines der Opfer. Mit dem endgültigen Urteil haben die Kläger nun Anrecht auf Entschädigungszahlungen durch den niederländischen Staat.
Die Klage war von einem Übersetzer und der Familie eines getöteten Elektrikers, der für die niederländische UNO-Truppe Dutchbat gearbeitet hatte, eingereicht worden. Der Übersetzer Hasan Nuhanovic hatte beim Massaker seinen Bruder und seinen Vater verloren. Auch seine Mutter wurde getötet, ihr Tod war aber nicht offiziell Bestandteil der Ermittlungen.
Zum Verlassen des Stützpunktes gezwungen
Die Opfer hatten gemeinsam mit rund 5000 weiteren Muslimen auf dem Stützpunkt des Dutchbat Zuflucht gesucht, nachdem die Enklave am 11. Juli 1995 von den bosnischen Serben unter Leitung von General Ratko Mladic erobert worden war. Das schlecht ausgerüstete Dutchbat hatte ihnen keinen Widerstand geleistet.
Am 13. Juli zwangen die UNO-Truppen den Elektriker und den Bruder des Übersetzers zum Verlassen ihres Stützpunkts, der Vater ging freiwillig mit. In der Folge waren sie ebenso wie rund 8000 weitere muslimische Jungen und Männer von den bosnischen Serben ermordet worden. Es war der grösste Völkermord in Europa nach 1945.
In einem ersten Urteil hatte ein Haager Zivilgericht im September 2008 befunden, dass der niederländische Staat nicht für das Handeln seiner Truppen zur Rechenschaft gezogen werden könne, da die Soldaten für die UNO im Einsatz waren. Im Berufungsverfahren wurde im Juli 2011 das Gegenteil festgestellt.
Weitere Klagen könnten folgen
Das Urteil bezieht sich nur auf die Fälle der drei getöteten Männer. Juristen schliessen jedoch nicht aus, dass Klagen weiterer Srebrenica-Opfer folgen könnten. Ob das Urteil Folgen für künftige UNO-Friedenseinsätze haben wird, ist ungewiss.
Munira Subasic von der Vereinigung der Mütter von Srebrenica sprach von «ermutigenden Neuigkeiten» und äusserte die Hoffnung, dass dem Urteil weitere folgen. Die Organisation hatte den niederländischen Staat und die UNO vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagt.
Prozesse noch im Gang
Das Massaker von Srebrenica war als folgenschwerstes Kriegsverbrechen in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs in die Geschichte eingegangen. Das UNO-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien in Den Haag klagte bisher 19 Personen für das Massaker an.
Sieben wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Die Prozesse gegen General Mladic und den ehemaligen Serbenführer Radovan Karadzic laufen noch.