Wegen Geiselnahme eines Babys hat sich am Montag ein abgewiesener Asylbewerber vor dem Thurgauer Obergericht verantworten müssen. Der vermeintliche Vater hatte den Säugling im Spital Münsterlingen in seine Gewalt genommen.
Der Asylbewerber mit rechtskräftigem Nichteintretensentscheid (NEE) lebte 2010 mit der Mutter des Kindes in einer Thurgauer Gemeinde. Das Kind wurde wegen psychischer Probleme der Mutter seit der Geburt im September 2010 im Kinderspital Münsterlingen betreut. Dort besuchten es die Mutter und der Angeklagte.
Die Vormundschaftsbehörde wollte der Mutter eine Behandlung in einer Mutter-Kind-Einrichtung vorschlagen. Dies lehnte sie jedoch ab. Deshalb verfügte die Behörde eine Fremdplatzierung des zwei Monate alten Säuglings.
Baby mit Schere bedroht
Während die Mutter das Spital für das Gespräch verlassen hatte, blieb der Nigerianer beim Kind. „Er fungierte als Aufpasser“, sagte der Staatsanwalt. Als ihn die Ärzte aufforderten, ihnen das Kind zu übergeben, zückte der Angeklagte eine Schere. Er hielt die Scherenspitze an den Hals des Kindes und drohte, erst das Baby und dann sich selbst zu töten. Erst nach drei Stunden gelang es einer Spezialeinheit der Polizei, den Mann zu überwältigen.
Aufenthalt erzwingen
In erster Instanz wurde der Nigerianer vom Bezirksgericht Kreuzlingen wegen qualifizierter Geiselnahme zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
Das sei zu wenig, argumentierte der Staatsanwalt am Montag vor der zweiten Gerichtsinstanz. Er verlangte wie schon bei der ersten Verhandlung eine unbedingte Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten.
Der Mann habe das Kind über Stunden in seiner Gewalt gehabt und mit dem Tod bedroht. „Er wollte damit unter anderem seinen Aufenthalt in der Schweiz erzwingen“, sagte der Staatsanwalt. Für die moralisch völlig verwerfliche Tat gebe es keine Strafmilderungsgründe.
Liebevoller „Vater“
Der Verteidiger verlangte einen Freispruch vom Vorwurf der qualifizierten Geiselnahme. Der Angeklagte sei in einer Notlage gewesen. Eine Freiheitsstrafe von maximal elf Monaten sei genug. Die Strafe habe er bereits verbüsst. „Ihn weiter einzusperren hat er nicht verdient“, sagte der Verteidiger.
Die Mutter des Kindes habe den Angeklagten glauben lassen, er sei der Vater des Kindes. Der damals 19-Jährige habe sich vor und nach der Geburt liebevoll um das Mädchen gekümmert.