Ende Jahr läuft die Teilnahme der Schweiz am EU-Forschungsprogramm Horizon 2020 aus. Eine Anschlusslösung ist in Reichweite, doch Bern und Brüssel pokern bis zuletzt. Dem Bundesrat fehlen noch die Garantien.
Überraschend hatte Bundespräsident Johann Schneider-Ammann nach seinem letzten Treffen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einen Weg aufgezeigt, wie die Schweiz wieder voll bei Horizon 2020 mitmachen könnte: Sie würde als Vorleistung das Protokoll zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien unterzeichnen, die EU ihrerseits soll der Schweiz im Gegenzug die volle Assoziierung an das Programm ab 2017 ermöglichen.
Die Lösung liegt also auf dem Tisch. Am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos erklärte der Bundespräsident, warum es trotzdem nicht vorwärts geht: Der Bundesrat habe noch nicht entschieden, ob er das Protokoll unterzeichnen könne. Und dann müssten sich die 28 EU-Länder darüber einigen, ob die Schweiz bei Horizon 2020 mitmachen könne. «Das tasten wir nun ab», sagte Schneider-Ammann. Wenn der Bundesrat seine Schritte mache, müsse die EU auch die ihren machen. Dafür brauche es eine gewisse Sicherheit.
Test für Verhandlungen
Es gibt aber noch mehr offene Fragen. Nach der Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative im Februar 2014 sah der Bundesrat nämlich keine Möglichkeit mehr, das Protokoll zur Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien zu unterzeichnen. Der angenommene Verfassungsartikel verbietet neue völkerrechtliche Verträge, die der Schweiz die Einschränkung der Zuwanderung verbieten. Wie das nun plötzlich doch möglich sein soll, ist unklar.
Eine Lösung wäre auf jeden Fall unorthodox. Der Ausgang des Pokers kann darum als Test dafür gewertet werden, wie stark die pragmatischen Kräfte in der EU sind. Für die Anpassungen bei der Personenfreizügigkeit, die zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative nötig sind, ist das entscheidend.
In der EU-Kommission scheint die Schweiz jedenfalls viel Wohlwollen zu geniessen. Einen Durchbruch konnte Schneider-Ammann nach seinem Treffen mit Forschungskommissar Carlos Moedas am WEF zwar nicht vermelden. Gegenüber der Sendung „HeuteMorgen« von Radio SRF zeigte sich Moedas aber zuversichtlich: »Wir brauchen die Schweiz, und die Schweiz braucht Europa.“ Er arbeite hart an einer Lösung, sagte der EU-Kommissar.
Eine solche hat der Forschungsplatz dringend nötig. Ein am letzten Donnerstag publizierter Bericht zeigt nämlich auf, dass die Schweizer Beteiligung an europäischen Forschungsprogrammen inzwischen rückläufig ist. Seit dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative werden Schweizer Forschende nicht mehr gleich behandelt wie Forschende aus der EU.