Der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt zwischen den beiden Koreas ist erneut eskaliert: Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un versetzte die Grenztruppen des kommunistischen Landes in Gefechtsbereitschaft.
Kim habe den Oberbefehlshaber der Koreanischen Volksarmee angewiesen, die Grenztruppen sollten «in einen Kriegszustand eintreten, um vollauf gefechtsbereit für Überraschungseinsätze zu sein», berichtete die amtliche Nachrichtenagentur KCNA am Freitag.
Ab Freitag um 17.00 Uhr Ortszeit (10.30 Uhr MESZ) sollten sie im «Kriegszustand» sein. Die Entscheidung sei bei einer Sondersitzung der mächtigen Zentralen Militärkommission gefallen, der Kim vorsitzt.
Nordkorea hatte in der Vergangenheit wiederholt ähnliche Drohungen formuliert. Zuletzt hatte Kim 2013 erklärt, sein Land befinde sich im «Kriegszustand» mit dem Süden. Formal herrscht zwischen Südkorea und Nordkorea ohnehin noch kein Frieden, weil nach dem Koreakrieg der Jahre 1950 bis 1953 kein Friedensvertrag geschlossen wurde.
«Wir haben das schon mehrfach erlebt, aber das bedeutet nicht, dass es nicht gefährlich ist», kommentierte der Nordkorea-Experte der Korea Universität in Seoul, Yoo Ho Yeol, die neueste Entwicklung. Es gebe «eine echte Möglichkeit, dass diese Konfrontation zu irgendeiner Art bewaffneten Zusammenstoss führt».
Ultimatum an Seoul
Die südkoreanischen Truppen sind bereits im Alarmzustand, nachdem die nordkoreanische Armee am Donnerstag ein Ultimatum gestellt hatte: Wenn der Süden nicht binnen 48 Stunden seine Propagandakampagne mit extrem lauten Lautsprechern beende, müsse er mit einer militärischen Aktion rechnen, drohte das nordkoreanische Militär.
Das südkoreanische Verteidigungsministerium wies die Forderung zurück. Die Frist sollte am Samstag um 17.00 Uhr Ortszeit (10.30 Uhr MESZ) auslaufen.
Die erste derartige Propagandaaktion seit elf Jahren war eine Reaktion auf eine Landminenexplosion Anfang August, bei der an der gemeinsamen Grenze zwei südkoreanische Soldaten schwer verletzt worden waren. Seoul warf dem Norden vor, die Mine platziert zu haben. Dieser weist jedoch jegliche Verwicklung zurück.
Am Donnerstag schliesslich feuerte die südkoreanische Armee nach eigenen Angaben dutzende Artilleriegeschosse in Richtung Norden, nachdem dieser Artilleriegeschosse in Richtung der Lautsprecher gefeuert habe. Fast alle Geschosse beider Seite landeten in der entmilitarisierten Zone, einer vier Kilometer breiten Pufferzone zwischen Nordkorea und Südkorea.
Beschränkter Zugang zu Kaesong
Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel werden derzeit auch durch das jährliche gemeinsame Manöver der südkoreanischen und der US-Armee verstärkt. Wie am Donnerstag in New York mitgeteilt wurde, beantragte Nordkorea am Mittwoch beim UNO-Sicherheitsrat, über die Militärübung zu diskutieren. Anderenfalls verstosse das Gremium gegen seinen Auftrag, sich international für Frieden und Sicherheit einzusetzen.
Das südkoreanische Vereinigungsministerium kündigte am Freitag an, den Zugang zu dem gemeinsam mit Nordkorea betriebenen Industriekomplex Kaesong einzuschränken. Nur Südkoreaner mit direkten Geschäftsinteressen in Kaesong dürften in das innerhalb Nordkoreas gelegene Industriegebiet reisen. Dort arbeiten etwa 53’000 Nordkoreaner für rund 120 südkoreanische Firmen.
Kaesong ist für den kommunistischen Norden eine wichtige Devisenquelle. Der eingeschränkte Zugang dürfte von Pjöngjang als Drohung verstanden werden, den Komplex bei einer militärischen Eskalation im Grenzgebiet dicht zu machen.
Die UNO und die USA äusserten sich besorgt über die Zuspitzung des Konflikts. Das US-Aussenministerium warnte Nordkorea vor Provokationen und bekannte sich zu seiner Partnerschaft mit Südkorea.