Der Novartis–Campus ist ein höchst exklusives Areal. Ohne Einladung kommt niemand rein – mit einer Ausnahme: Wer in der Campus–Apotheke ein Medikament kaufen will, dem öffnet sich die P(f)orte, Geleitschutz inklusive. Ein Streifzug auf der Suche nach Hustensirup.
Der Novartis–Campus: Die Stadt in der Stadt, bewacht von Kameras und Sicherheitsangestellten, abgeriegelt durch hohe Zäune. Dahinter verbirgt sich die Zentrale des weltweit grössten Pharma–Unternehmens. Das ganze ist eine höchst exklusive Zone, für die Öffentlichkeit eine No-go-Area. Rein kommen nur Mitarbeiter mit digitaler Erkennungsmarke, angemeldete Gäste – und, wie unser Versuch zeigt, auch Apothekenkunden. Doch der Reihe nach:
«Die Campus–Apotheke ist sehr wohl für alle zugänglich», schrieb vor einer Woche ein Leser als Reaktion auf einen Blogeintrag. Wir wollten das überprüfen und machten die Probe aufs Exempel. Tatsächlich, wer den hermetisch abgeriegelten Campus von innen sehen möchte, braucht bloss einen Husten vorzutäuschen.
Ein Ausweis ist das Eintrittsbillet
Die schwere Glastüre beim Haupteingang zum Novartis–Campus öffnet sich automatisch. So weit kommt hier jeder. Ich stehe im Glaskasten, umgeben von adrett gekleideten Herren und Damen. Der Portier hinter der Theke winkt mich zu sich. «Guten Tag, ich möchte gerne in die Apotheke», erkläre ich. Der Mann mustert mich, ich reiche ihm meinen Ausweis. Nach einem kurzen Datenabgleich auf seinem Computer ergreift er den Telefonhörer. «Ich habe hier einen Kunden für die Apotheke.» Eine Pause, ein Zögern. Innerlich formuliere ich bereits meine Argumentation. Die kantonale Apothekenverordnung, die Pflicht zu öffentlicher Zugänglichkeit und so weiter. Der Portier, immer noch am Hörer: «Nein. Gut, okay, bis gleich.» Meine Argumente kann ich stecken lassen und erhalte diskussionslos einen Besucher-Batch. «Warten Sie einen Moment, Sie werden abgeholt.»
Die Schleuse öffnet sich
Wenig später taucht mit fragendem Gesicht eine Mitarbeiterin auf. Ich stelle mich als Anwohner vor, gemeinsam passieren wir die Eingangsschleuse. Schwupp, sind wir im Campus. Auf der «Fabrikstrasse», dem eigentlichen Boulevard des Areals gehen wir vorbei an einem farbigen Gebäude von Diener & Diener, vorbei an einem Teich mit Koi-Fischen und an einem Glashaus der Sanaa-Architekten. Auf der gepflasterten Strasse: kein Mensch. Meine Begleiterin, eine Mitarbeiterin der Apotheke, biegt nach rechts in einen Durchgang ein. Ich folge ihr, vorbei an einem verglasten Labor, eine kurze Treppe hoch. Und dann stehen wir wirklich vor einer Apotheke. Einer ganz gewöhnlichen Durchschnittsapotheke noch dazu, inklusive grünem Apothekerkreuz.
Hinter der Glastüre erwartet mich die junge Apothekerin in weissem Kittel und mit einladendem Lächeln. Ich erzähle ihr von meinem hartnäckigen Husten. Seit einer Woche etwa. Ja, eher trocken. Ja, gerne einen Hustensirup aber einer ohne Codein. Pflanzlich? Ja, weshalb nicht. Und plötzlich steht im Herzen des Novartis–Campus ein «Weleda-Hustenelixier» vor mir auf der Theke. Ich kann mir mein Lachen nicht verkneifen. «Das ist schon seit einigen Jahren keine Novartis-Apotheke mehr», erkärt die Apothekerin. Ich sei auch nicht der erste, der von ausserhalb in die Apotheke komme. Das komme «ab und zu» vor. Die grosse Mehrheit der Kunden seien aber Novartis-Mitarbeiter.
Ich stecke noch eine Rolle Traubenzucker ein, zahle und verlasse – eskortiert von der Apotheken-Mitarbeiterin – den Laden: Wir biegen auf die leere Fabrikstrasse ein, vorbei an den Koi-Fischen, zurück in Richtung Porte und surrend schliesst sich hinter mir die Eingangsschleuse. So aufregend war Husten-Sirup kaufen noch nie. Ich komme wieder.