Der Schweizer Pharmakonzern Novartis ist im indischen Patentprozess um das Krebsmedikament Glivec nach über sieben Jahren Rechtsstreit endgültig unterlegen. Indiens oberster Gerichtshof verweigerte Novartis den Patentschutz für Glivec auf dem indischen Markt.
Dies berichteten die Nachrichtenagenturen Reuters und AFP am Montag. Begonnen hatte der Rechtsstreit um Glivec im Januar 2006, als das indische Patentamt die Patentierung des Novartis-Krebsmedikaments auf dem heimischen Markt verweigerte.
Beim Hauptwirkstoff handle es sich nur um eine neue Version eines bestehenden Wirkstoffs – also um einen sogenannten Evergreen – machte das Patentamt geltend.
Novartis akzeptierte den Entscheid nicht und zog den Fall vor die nächste gerichtliche Instanz. Auch diese entschied gegen Novartis, worauf der Basler Pharmakonzern erneut Klage einreichte und damit schliesslich vor den obersten Gerichtshof in Neu Delhi gelangte.
Der am 11. September 2012 begonnene Prozess vor dem Supreme Court fand nun im Urteil vom Ostermontag seinen Abschluss.
Wegweisender Entscheid
Der Entscheid gegen den Patentschutz ist wegweisend für die westliche Pharmaindustrie, die sich immer stärker auf den indischen Markt konzentriert. Auch für Indiens Pharmaunternehmen ist das Urteil von grosser Bedeutung.
Für Novartis ging es in dem Rechtsstreit um die Innovationssicherheit seiner Pharmaprodukte auf dem indischen Markt mit seiner rasant wachsenden kaufkräftigen Mittelklasse.
Für die ärmeren Bevölkerungsgruppen in Indien und anderen Ländern des Südens hingegen stand der billige Zugang zu Arzneimitteln gegen Krebs und andere chronische Krankheiten wie Tuberkulose oder HIV/Aids auf dem Spiel.
Novartis bedauert Gerichtsentscheid
Der Basler Pharmakonzern bedauert den indischen Gerichtsentscheid. Indien verweigere das Patent auf Glivec trotz der weltweiten Anerkennung des Medikaments, hiess es am Montag in einer Medienmitteilung von Novartis. In fast 40 Staaten seien Patente auf Glivec gewährt worden. Patente seien die Grundlage für innovative Medikamentenforschung und -entwicklung.
Bei der Frage der Erschwinglichkeit des Krebsmittels verwies der Pharmakonzern auf sein Hilfsprogramm, mit welchem 95 Prozent der Patienten in Indien Glivec weiterhin gratis beziehen würden.
Davon profitierten nach Angaben von Novartis mehr als 16’000 Patienten. Der Konzern habe seit 2002 über 1,7 Milliarden Dollar in das Hilfsprogramm investiert. Die übrigen fünf Prozent der indischen Glivec-Patienten hätten anderweitige Unterstützung oder seien versichert.
NGOs erfreut
Auf der Gegenseite reagierten die Nichtregierungsorganisationen (NGO) Erklärung von Bern (EvB) und Ärzte ohne Grenzen (MSF) erfreut auf das Gerichtsurteil. Dies sei ein bedeutender Sieg für die Kranken in armen Ländern, hiess es bei EvB. Indiens Justiz gebe der Gesundheit der Bevölkerung der Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen.
MSF sprach von bestmöglichen Ausgang für Patienten in Entwicklungsländern. Das Gerichtsurteil verhindere, dass mit ungerechtfertigten Patenten auf existierenden Medikamenten die Generika-Konkurrenz ausgeschaltet werde. Nun sei die Rechtslage in Indien klar und müsse konsequent befolgt werden, hiess es bei MSF.