Unter grossem Andrang der Öffentlichkeit und höchsten Sicherheitsvorkehrungen hat der Prozess um die Mordserie der Neonazi-Gruppe «Nationalsozialistischer Untergrund» NSU begonnen. Ob die Bundesanwaltschaft heute mit der Verlesung der Anklage beginnen kann, war offen.
Richter Manfred Götzl eröffnete am Montag im Münchner Oberlandesgericht das Verfahren gegen die 38-jährige Hauptangeklagte Beate Zschäpe und vier weitere Beschuldigte.
Zschäpe, mit schulterlangem, vollem dunklem Haar, trug einen schwarzen Hosenanzug und eine weisse Bluse. Sie betrat den Saal mit verschränkten Armen und ernstem Gesicht. Mit dem Rücken zu den Fotografen wartete sie stehend mit ihren drei Anwälten auf den Verhandlungsstart.
Mit einem Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Götzl sorgten Zschäpes Verteidiger knapp eine halbe Stunde nach Verhandlungsbeginn für ein erstes Störfeuer. Als Begründung führten sie an, Götzl habe eine eingehende Durchsuchung der Verteidiger vor dem Betreten des Gebäudes angeordnet, den übrigen Prozessbeteiligten diese Prozedur aber erspart.
Der Richter unterbrach daraufhin die Sitzung für Beratungen, liess sie jedoch nach wenigen Minuten fortsetzen. Der Antrag wurde nach Angaben einer Gerichtssprecherin vorerst zurückgestellt.
Rekordzahl an Nebenklägern
Zschäpe verfolgte die Verhandlung gestützt auf einen Ellbogen, liess sich das Geschehen von ihren drei Anwälten erklären und blickte zeitweise zu den überlebenden Opfern und den Hinterbliebenen der Ermordeten. 77 von ihnen nehmen als Nebenkläger an dem Prozess teil, mitsamt ihren 53 Anwälten. Das sind infolge einer Gesetzesänderung so viele wie noch nie in einem deutschen Strafprozess.
Zunächst stellte das Gericht die Anwesenheit der weit mehr als 100 Prozessbeteiligten fest. Danach wurde über Anträge aus den Reihen der Rechtsanwälte der Angeklagten und der Nebenkläger verhandelt.
Im Zentrum der Anklage stehen zehn Morde, davon acht an türkischstämmigen Menschen, sowie zwei Bombenanschläge und die Gründung des NSU als terroristischer Vereinigung. Zschäpe droht im Falle einer Verurteilung lebenslange Haft. Ihre beiden mutmasslichen Hauptkomplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten sich nach ihrer Enttarnung erschossen.
Der Prozess vor dem Staatsschutzsenat dürfte einer der grössten der deutschen Nachkriegsgeschichte werden und mindestens zwei Jahre dauern. Die Gewaltwelle blieb rund zehn Jahre von den Behörden unaufgeklärt.