Nach der Veröffentlichung des Nagra-Papiers über mögliche Atommüll-Endlager ist die Nagra am Donnerstag selber in die Offensive gegangen. Sie teilte mit, das interne Dokument sei in die Hände von Nuklearexperte Marcos Buser und Geologie-Professor Walter Wildi gelangt.
Die beiden Experten sind in den vergangenen Monaten wiederholt als Atom- respektive Nagra-Kritiker aufgefallen. Buser habe die Notiz von einem inzwischen pensionierten Nagra-Mitarbeiter erhalten, heisst es in der Mitteilung der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra).
Das Schreiben besteht zur Hauptsache aus Zitaten des ehemaligen Mitarbeiters, der die Verantwortung für das Informationsleck seitens der Nagra übernimmt. Nach zwei „schlaflosen Nächten“ habe er sich dazu entschieden, die Nagra-Mitarbeitenden vom Generalverdacht zu entlasten, etwas mit dem Informationsleck zu tun zu haben, wird der Mann zitiert.
Der ehemalige Mitarbeiter hat demnach das Papier an Marcos Buser weitergegeben, als dieser noch Mitglied der Eidgenössischen Kommission für nukleare Sicherheit (KNS) war. Die Annahme, dass Buser die Aktennotiz vertraulich behandle, sei rückblickend wohl naiv gewesen.
„Man rechnet nicht damit, dass so ein vertrauliches Dokument von einem KNS-Mitglied weitergegeben wird“, sagte Nagra-Sprecherin Jutta Lang der Nachrichtenagentur sda. Das Vertrauensverhältnis zwischen der Nagra und der KNS sei wichtig.
Buser räumt Weitergabe ein
Marcos Buser und Walter Wildi räumten im Gespräch mit der sda ein, die Aktennotiz erhalten zu haben. „Man kann dem Nagra-Mitarbeiter nur gratulieren“, sagte Wildi. Die Öffentlichkeit wisse nun, dass die Nagra intern anders rede als sie es gegen Aussen kommuniziere.
Marcos Buser verfügt seit vergangenem Dezember über eine Vorfassung des Papiers, wie er sagte. „Ich habe mich über Monate hinweg darum bemüht, dass die Behörden des Bundes die Entstehung dieses explosiven Papiers untersuchen.“
Doch weder das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) noch das Bundesamt für Energie (BFE) oder das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) hätten etwas getan.
Im vergangenen Juni trat Buser unter Protest aus der KNS aus. Nach den erfolglosen Versuchen, die Behörden aufzurütteln, habe er beschlossen, zusammen mit dem Genfer Geologie-Professor Walter Wildi ein Buch zu schreiben. In diesem Zusammenhang gab Buser vor wenigen Wochen die Aktennotiz an Wildi weiter – mit dem Hinweis, diese sei vertraulich.
Kritik an der Leck-Debatte
An einer Sitzung der Arbeitsgruppe des Bundes für die nukleare Entsorgung (Agneb) gab Wildi bekannt, dass er über das Nagra-Papier Bescheid wisse. Wie das Nagra-Dokument schliesslich an die „SonntagsZeitung“ gelangte, wollte Wildi nicht sagen.
Auch Buser schwieg sich zu diesem Thema aus. Er habe das Papier aber am 26. September dem Zürcher Regierungsrat Markus Kägi sowie einem Mitarbeiter Kägis übergeben.
Buser und Wildi stören sich grundsätzlich an der Debatte über das Informationsleck: „Das Grundproblem ist nicht das Leck, sondern etwas ganz anderes: Es ist ein Skandal, dass die Nagra überhaupt ein solches Papier erstellt“, kritisierte Buser.