Der Abgas-Skandal im VW-Konzern erreicht eine neue Dimension. Volkswagen musste am Dienstag nun auch Unregelmässigkeiten bei CO2-Werten einräumen. Erstmals sind auch Benziner und nicht nur Dieselfahrzeuge betroffen.
Es geht um den Ausstoss des klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2) – und damit um den Spritverbrauch. «Nach derzeitigem Erkenntnisstand können davon rund 800’000 Fahrzeuge des Volkswagen Konzerns betroffen sein», heisst es in einer Mitteilung vom Dienstagabend in Wolfsburg.
«Die wirtschaftlichen Risiken werden in einer ersten Schätzung auf rund zwei Milliarden Euro beziffert.» Damit hat Europas grösster Autokonzern in der Abgasaffäre eine neue milliardenschwere Baustelle.
Bisher ging es in dem Skandal um Stickoxid (NOX). Im September hatte das Unternehmen eingestanden, bei Abgas-Tests auf dem Prüfstand mit Softwarehilfe die Ergebnisse für Diesel-Motoren manipuliert zu haben. Die Software schaltet in Testsituation in einen Sparmodus. In diesem Zusammenhang musste VW bereits 6,5 Milliarden Euro zurückstellen.
Im Rahmen der derzeit laufenden Überprüfungen aller Prozesse und Abläufe bei Dieselmotoren ist laut VW aufgefallen, dass bei der CO2-Zertifizierung einiger Fahrzeugmodelle zu niedrige CO2- und damit auch Verbrauchsangaben festgelegt wurden. Betroffen seien ganz überwiegend Fahrzeuge mit Dieselmotoren.
Es gehe um Autos der Typen Polo, Golf und Passat, sagte ein VW-Sprecher auf Anfrage. Bei der VW-Tochter Audi seien A1- und A3-Modelle betroffen. Bei Skoda gehe es um den Octavia und bei Seat um den Leon und den Ibiza.
Benzinmotor mit Zylinderabschaltung betroffen
Auch bei einem Benzinmotor mit Zylinderabschaltung habe es Auffälligkeiten gegeben, sagte der Sprecher. Es handle sich dabei aber um eine geringe Stückzahl. Bei den Dieselmotoren seien 1,4-, 1,6- und 2,0-Liter-Varianten betroffen. Alle Aggregate stammen einem Sprecher zufolge aus dem Wolfsburger Stammhaus von VW.
Ob auch Fahrzeuge in der Schweiz betroffen sind, sei noch unklar, teilte die AMAG Automobil- und Motoren AG am Dienstagabend mit.
Kohlendioxid (CO2) ist zwar unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Treibhausgas und wesentlich für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Die CO2-Grenzwerte sind in der EU in den vergangenen Jahren verschärft worden.
«Der Vorstand der Volkswagen AG bedauert zutiefst den festgestellten Sachverhalt», hiess es. Die Sicherheit der Fahrzeuge sei in keinem Fall betroffen.
VW-Chef Matthias Müller versprach erneut eine «schonungslose» Aufklärung. «Dabei machen wir vor nichts und niemandem Halt. Das ist ein schmerzhafter Prozess, aber er ist für uns ohne Alternative.» Dies sei die Voraussetzung für die grundlegende Neuausrichtung des Konzerns. VW wolle nach Absprache mit den zuständigen Behörden schnellstmöglich eine Klärung der weiteren Vorgehensweise sowie eine korrekte Einstufung der CO2-Werte bei den betroffenen Fahrzeugen vornehmen.
Neue US-Vorwürfe noch ungeklärt
Erst am Montag hatte die US-Umweltbehörde EPA neue schwere Vorwürfe gegen VW erhoben – dabei geht es um Stickoxid-Werte. Die EPA beschuldigt VW, bei weiteren Dieselmotoren eine Manipulations-Software eingesetzt zu haben. Volkswagen hält dagegen, kein Programm installiert zu haben, «um die Abgaswerte in unzulässiger Weise zu verändern».
Nach den neuen EPA-Vorwürfen wären erstmals auch Porsche-Fahrzeuge und jüngere Modellreihen betroffen. Wie die US-Behörde am Montagabend mitgeteilt hatte, wurden in bestimmten Diesel-Modellen der Marken VW, Audi und Porsche Drei-Liter-Diesel-Motoren verbaut, die bei Stickoxid-Emissionen die in den USA erlaubten Grenzwerte um das bis zu Neunfache überträfen. Die US-Umweltbehörde hatte den Skandal um geschönte Abgaswerte bei Volkswagen Mitte September ins Rollen gebracht.
Unterdessen drohen Volkswagen in den USA weitere Probleme. Diesmal geht es nicht um manipulierte Abgaswerte, sondern um Fehler bei Pflichtmeldungen zu Unfällen mit Verletzungen und Todesfällen an die US-Verkehrsaufsicht NHTSA. VW teilte am Dienstag mit, eine externe Prüfung eingeleitet zu haben, um sicherzustellen, dass die Daten korrekt an die Aufsicht übermittelt werden.