Defekte Leitungen und verstopfte Toiletten gehören im olympischen Dorf fast der Vergangenheit an. Damit bei den Schweizern alles klappt, muss der Missionschef den Geburtstag mit WC-Tests verbringen.
Zimmer 1204, 13. Stock: Frank Pasche und Théry Schir sitzen auf dem olympisch gemusterten Bezug eines 90-Zentimeter-Betts. Im Raum nebenan wird gerade ihr Kollege Cyrille Thièry massiert – vor Postern mit Fabian Cancellara, Martina Hingis und anderen Topathleten. Die Bahnradfahrer sind zufrieden mit ihrer Unterkunft im Wohnturm im Olympischen Dorf. «Nur das Wi-Fi funktioniert nicht so gut», sagt Frank. Sonst ist alles da: warmes Wasser, kaltes Wasser – und mehrfach verglaste Fenster. Er schlafe «sehr gut», sagt Théry, «und Mücken habe ich noch keine gesehen».
Draussen, zwischen Lift und Zimmertüre, zeugen offen herunterhängende Kabel noch von den ursprünglichen Zuständen der 31 Hochhäuser: Mehrere Delegationen hatten im Vorfeld über Bauschmutz, defekte Wasserleitungen und blockierte Toiletten geklagt. Die Australier weigerten sich am Anfang gar, überhaupt einzuziehen. Mehrere hundert Handwerker und Reinigungskräfte waren noch Ende Juli im Einsatz, um die Neubauten in einen akzeptablen Zustand zu versetzen.
Auch die Schweizer Delegation hatte die ersten drei, vier Tage nach der Ankunft mit Ungemach zu kämpfen – noch bevor die Athleten einzogen. «Das Wasser war kalt», sagt Dominik Pürro von Swiss Olympic. Und statt seinen 40. Geburtstag rauschend zu feiern, hat Missionschef Ralph Stöckli den Erzählungen zufolge am Tag nach der Ankunft Toiletten getestet. Inzwischen klappt beinahe alles, einzig drei WCs haben den Geist aufgegeben. Selbst Martina Hingis sei bei ihrem Einzug am Donnerstag positiv überrascht gewesen.
Keine Zeit für Copacabana
Die Bahnradfahrer wohnen zu sechst im Apartment. Die einen schlafen in Einzel-, die anderen in Doppelzimmern. Das Wohnsilo teilen die Schweizer allerdings mit mehreren anderen Nationen: mit Honduras, den Seychellen und Liechtenstein etwa. In den Häusern nebenan sind die Briten und die Kanadier untergebracht. Die Transparente an den Fassaden verkünden unmissverständlich, wer wo wohnt.
Vom Balkon ihres Zimmers haben die Schweizer Radprofis einen Panoramablick auf See und Skyline am gegenüberliegenden Ufer. Ansonsten haben die Radprofis von Rio de Janeiro noch kaum etwas gesehen. Selbst die Copacabana nicht.
Nach den Wettkämpfen hätten sie noch ein paar Tage Zeit, sagen Frank und Théry. Dann wollen die beiden 23-jährigen Waadtländer das Sightseeing nachholen. Bis dann dreht sich für die Olympia-Neulinge alles darum, ab dem 11. August ihre Bestleistung zu zeigen. Die Tage sind mit festgelegten Trainingseinheiten strukturiert und ziehen schnell vorbei.
Am Ende der Luxus
Nicht alle der noch verbleibenden 105 Schweizerinnen und Schweizer ziehen allerdings ins Olympische Dorf ein. Die Ruderer, Segler und Triathleten etwa logieren ausserhalb – die Ruderer wegen der Vorbereitungen, die anderen wegen der Distanzen zu den Austragungsorten.
Es gibt aber auch Sportler, die das «Village» wegen des Trubels meiden. Oder – wie im Fall von Roger Federer – meiden wollten. Federer hätte seine fünften Spiele ausserhalb verbracht. Denn «Vorbereitung und Konzentration sind besser, wenn ich nicht im Dorf bin», sagte er im Juni.
Tatsächlich ist im Gelände unter den Wohntürmen einiges los. Tagsüber dröhnt lauter Samba aus Lautsprecherboxen, und Scharen von Crewmitgliedern, Journalisten und anderen Gästen wälzen sich durch die Anlage im wohlhabenderen Stadtteil Barra da Tijuca.
Über 10’000 Athleten aus aller Welt werden hier wohnen – dazu kommen Trainer, Betreuer und Ärzte. Täglich treffen neuen Gruppen ein. In Spitzenzeiten dürften es gegen 18’000 Bewohner sein. Für sie gibt es auf 72’000 Quadratmetern mehrere Tennisplätze, Pools, Velowege und Joggingstrecken – und natürlich Restaurants und Shops.
Wenn die Athleten nach den Spielen wieder ausziehen, sollen die Zimmer zu Luxusapartments ausgebaut und für viel Geld verkauft werden – auch Nummer 1204 von Frank Pasche und Théry Schir.