Im Land ennet des Atlantik sind die Möglichkeiten nicht zuletzt dank der Kreditkartenmentalität unbegrenzt. Aber wenigstens deckt die auch alle Notwendigkeiten ab.
Ich war perplex. Keine Münze in der Hosentasche, das Fahrrad im kostenpflichtigen Parking am Bahnhof – und der Postomat erklärte rundeheraus, dass er mir aufgrund überzogener Monatslimite jetzt grade genau gar nichts aushändigen werde.
Einen halben Tag lang lernte ich, was man in Basel ohne Bargeld machen kann: Nahezu gar nichts. Selbst der natürlichste aller Vorgänge kostet im Bahnhof einen Franken – und der ist, bitte, in abgezählten Münzen zu berappen. Kein Wunder riechts in manchen Ecken dieser Stadt ziemlich streng.
Aber das ist nicht mein Thema. Zumal San Francisco vor allem im Theater-District nicht nur eckenweise streng riecht.
Mich hat vielmehr nach meiner Rückkehr die Krise des Geldes erwischt. Denn Geld in Noten- und Münzenform ist etwas, was man sich in Kalifornien nachhaltig abgewöhnt hat. Im Nah- wie im Fernbereich. Wenn auch aus ganz verschiedneen Gründen: Im Zahlungsverkehr halten sich die gedruckten und zu unterschreibenden Papierchecks hartnäckig, weil die Banken daran mächtig verdienen. Selbst Online-Zahlungen werden so abgewickelt: Ich löse die Zahlung aus und gebe dazu nicht etwa eine Konto-Nummer des Adressaten, sondern seine Anschrift ein. Die Bank bucht sofort mein Geld ab, druckt gelegentlich einen Check und schickt ihn per Post an den Empfänger, der ihn zur Bank tragen und seinem Konto gutschreiben lassen muss – was in der Regel weitere zwei, drei Tage dauert. In der Zwischenzeit hängt der überwiesene Betrag irgendwo im Zeit-Raum-Kontinuum der grossen Bankengeschäfte und hilft, die Boni der cleveren Banker zu erwirtschaften.
Aber ich schweife schon wieder ab. Denn so handfest und altmodisch der Transfer im Zahlungsverkehr von statten geht, so sehr hat sich der Bezahlvorgang im täglichen Leben vom Geld entfernt: Was ich nicht zweimal in der Hand umdrehen muss, gebe ich viel schneller her – und die Kreditkarte ist das Instrument, den schmerzhaften Zahlungsvorgang auf eine typische Handbewegung für einen abstrakten Vorgang zu reduzieren.
So kann man bei den geschäftstüchtigen Amis immer, überall und nahezu alles mit Karte bezahlen. Während ich mich hier am Postschalter anschnauzen lassen muss, wenn ich zehn Briefmarken mit der – notabene! – Postcard bezahlen will, ist der Bezug eines Päckchens Kaugummi mit der Karte im Cornerstore an 2nd und Geary ein völlig normaler Vorgang. Oder das Bezahlen von zwei Gallonen (8 Litern) Benzin für 7 Dollar. Oder einen Kaffee und einen Donut im Café für 3 Dollar 80.
Der Verdrängungsmechanismus funktioniert so gut, dass Barzahlung in den USA inzwischen etwas ist für Verlierer. Drogenhändler bezahlen bar, alle anderen haben einen Stapel Kreditkarten. Münzen sind lediglich Token für den Waschsalon (…Verlierer) und eine klimpernde inoffizielle Sozialsteuer, weil man sie schnellstmöglich dem nächsten Obdachlosen in den Becher wirft («Hey! Man! You just spoiled my coffee!»).
Und wenn man denn irgendwann mal aus unerfindlichen Gründen Bargeld braucht, dann holt man es sich ganz sicher nicht am Bankomaten – ausser es steht grade einer der eigenen Bank in der Nähe. Alle andern kosten selbst beim Bezug eines zwanzigers (wie jede «Dienstleistung» in den USA) doppelt Gebühren – einmal von der fremden Bank, einmal von der eigenen.
Nein, man bezieht das Bargeld – in kleinen Beträgen – direkt beim Einkaufen. Im Supermarkt, im Cornerstore, im Quartierladen. Zu den Einkäufen verlangt man an der Kasse 40, 60 oder gar 100 Dollar. «Cashback» heisst das und erscheint als solches fein säuberlich aufgereiht unter der Liste von Milch, Gemüse und Fleisch auf der Quittung, wie wenn man eben auch noch Geld gekauft hätte. Die kleine Dienstleistung der Händler und Supermärkte ist so bequem, dass kaum jemand noch den Bankomaten bemüht und die wenigsten irgendeinen Überblick über ihren Kontostand haben.
Meine Frage an der Coop-Kasse heute, ob ich mit der Postcard nicht nur bezahlen, sondern auch noch Geld beziehen könnte, provozierte ein empört-erheitertes «Wir sind doch keine Bank!»
Und wenn der Metzgermeister im glarnerischen Mitlödi beschliesst, dass er doch auch eine Bank sein möchte, rennt das Schweizer Fernsehen hin und macht einen fünfminütigen Newsbeitrag.
Dabei sind «Ghackets und Nötli» keine Glarner Innovation. Die Amis haben’s erfunden.